Missbrauch - © Foto: Pixabay

Wenn Glaube gegen Überlebende arbeitet

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Glauben und Gottvertrauen können das Wohlbefinden von Menschen steigern. Doch es gibt auch eine negative Seite des Kohärenzgefühls. Die spüren gerade Opfer von Unterdrückern.

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Glauben und Gottvertrauen können das Wohlbefinden von Menschen steigern. Doch es gibt auch eine negative Seite des Kohärenzgefühls. Die spüren gerade Opfer von Unterdrückern.

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Macht Glauben resilient? In der theologischen Resilienzforschung ist diese Frage beliebt. Die Antwort fällt meist positiv aus. Für dieses „Ja“ gibt es gute Gründe. Wenn Menschen überzeugt sind, dass ihr Leben Sinn hat, dass es für einen höheren Wert einsteht und sich in den Dienst einer größeren Sache stellt, dann geht es Menschen besser. Das bestätigt auch die Salutogenese, die das Entstehen von Gesundheit untersucht. Kommt Gottvertrauen hinzu, so steigt das sogenannte „Kohärenzgefühl“ nochmals an.

Resilienz auf Kosten von Opfern

Aber schon der Begründer der Salutogenese Aaron Antonovsky wusste, dass das Wohlergehen nicht auf ethisch wertvolles Verhalten schließen lässt. „Natürlich muss gesagt werden, dass das starke Kohärenzgefühl und die daraus resultierende gute Gesundheit von Nazis, von religiösen Fundamentalisten, patriarchalischen Männern, Kolonialisten, aristokratischen und kapitalistischen Unterdrückern nur auf Kosten ihrer Opfer erreicht werden kann.“

Dass solche Vulneranz jedoch ins Verletzlichkeitsparadox führt und damit größtmöglichen Schaden anrichtet, zeigt der Zweite Weltkrieg. Vulneranz kann mittelfristig Resilienz erhöhen. Das gilt auch in Religionsgemeinschaften, die sexuellen und spirituellen Missbrauch vertuschen. Vertuschung erhöht die Resilienz von Tätern und Täterinnen. Diese wird nochmals gestärkt durch ihren rituell praktizierten Glauben. So kann ein Täter sich von der Feier der Eucharistie, der er als Priester vorsteht, spirituell und in seiner ganzen Existenz bestärkt fühlen. Wer wissen möchte, wo Glauben resilient macht, wird bei Tätern fündig. Ganz anders sieht es bei den Überlebenden aus. Solange Vertuschung vorherrscht, arbeitet der Glaube gegen sie. Wegen dieser Ungerechtigkeit ist es so wichtig, nicht nur dem Missbrauch, sondern auch der Vertuschung ein Stoppschild zu setzen.

Dieser Artikel erschien ursprünglich unter dem Titel "Stoppschild bei Vertuschung" am 18. Juli 2024.

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