Freiheit_Nationalismus - © Illustration: Rainer Messerklinger

Fussball und Nationalismus: "Österreich zuerst?"

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Die nationalen Gefühle sind nicht überwunden. Wie bei der Fußball-EM sollten auch die Nationen und ihre Fans wieder daran denken, dass sie nicht gegen-, sondern miteinander spielen.

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Die nationalen Gefühle sind nicht überwunden. Wie bei der Fußball-EM sollten auch die Nationen und ihre Fans wieder daran denken, dass sie nicht gegen-, sondern miteinander spielen.

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Die Fußball-Europameisterschaft neigt sich dem Ende zu. In den Städten Europas gingen die Emotionen hoch. Berlin war in diesen Wochen ein Meer von Fahnen, Flaggen, Trikots und mit aller Nationen Farben geschmückten Gesichtern. Fußball erinnert uns, dass Europa, dass die Welt aus Völkern besteht, die nicht nur von Staatsräson geleitet werden, sondern von tiefverwurzelten Gefühlen. „Das Volk ist überall ein großes Kind“, schrieb Theodor Herzl in seinem „Judenstaat“. Am 3. Juli jährte sich Herzls 120. Todestag. Viele sehen heute sein Projekt einer „öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte“ für das jüdische Volk als ein ganz und gar frevelhaftes Unterfangen, welches der Zeit wilder Nationalismen in Europa entsprang und genau das forderte, was wir Aufgeklärte als abgetan erklären: den Nationalstaat.

Und doch ist es der Nationalstaat, der sich in den letzten Jahren allseits in den Vordergrund drängt. Bereits 1943 gründete der amerikanische Faschist Gerald K. Smith seine „America First“-Partei. „America First!“ war die politische Parole Donald Trumps in seinem ersten Wahlkampf. „Österreich zuerst!“ stand einst auf dem Banner von Jörg Haiders FPÖ. Spätestens seit der Covid-Pandemie wurde dieses „Zuerst“ zum allgemeinen Prinzip der Länder, zum unausgesprochenen Grundsatz der Nationen. „Immer wieder“, grölten die Fußballfans in Rot-Weiß-Rot.

Miteinander spielen

Die nationalen Gefühle sind nicht überwunden. „Erst die Völker füllen den blassen Begriff der Menschheit mit Realität und Leben“, schrieb der jüdische Anthropologe Michael Landmann. Doch die Völker, wie Martin Buber lehrte, sind nur im Recht, „inwieweit sie der Sache des Menschen und der Menschheit dienen“. Wie beim Fußball sollten auch die Nationen und ihre Fans wieder daran denken, dass sie in Wahrheit nicht gegen-, sondern miteinander spielen.

Der Autor ist Professor für moderne jüdische Philosophie an der University of Virginia, USA.

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