Berge - © Foto: Pixabay

Freiheit von der Freiheit?

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Der Erfolg totalitären Herrschaften liegt nicht im Verschleiern ihrer Absichten, sondern umgekehrt in ihrer feierlichen Verklärung der Unfreiheit

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Der Erfolg totalitären Herrschaften liegt nicht im Verschleiern ihrer Absichten, sondern umgekehrt in ihrer feierlichen Verklärung der Unfreiheit

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Anno 1941 erschien Erich Fromms „Die Furcht vor der Freiheit“, oder wie es im amerikanischen Original hieß, „Die Flucht vor der Freiheit“. Der Titel dieses von der Sozialpsychologie her konzipierten Werkes war paradox formuliert: Der Mensch, der sich doch eigentlich immer schon nach Freiheit sehnte, fürchtet sich unbewusst vor ihr und flüchtet sich daher in die Geborgenheit der Unfreiheit. So erklärte sich für Fromm, der selbst aus Deutschland geflüchtet war, unser seltsames Bedürfnis nach Autorität, Konformität und nach Verengung dessen, was Karl Popper später die offene Gesellschaft nennen würde. Und so erklärten sich für ihn die totalitären Herrschaften des 20. Jahrhunderts: Ihr erstaunlicher Erfolg lag nicht im Verschleiern ihrer Absichten, sondern umgekehrt in ihrer feierlichen Verklärung der Unfreiheit. Sie waren es, die riefen: Freiheit von der Freiheit. Und ihre Gefolgschaft machte sich zum Heer williger Knechte.

Götzen verbannen

Als Fromm dieses Buch veröffentlichte, hatte er bereits mit der Tradition seines Judentums gebrochen. Aber er sah dennoch in der Bibel eine Quelle des „radikalen Humanismus“, eines Humanismus, der „völlige Unabhängigkeit“ und „Durchdringung aller Fiktionen und Illusionen“ forderte. Daher musste die Bibel die Götzen verbannen und daher war Religion für Fromm nicht Theologie, sondern „Idologie“ – Götzenlehre. Nur im Erkennen und in der Negation der Götzen konnte die Menschheit geistig vereint sein. Das andere Band der Menschen war bei Fromm die Liebe, die Bereitschaft nämlich, das Wagnis der Freiheit einzugehen. Aber diese Liebe erforderte Arbeit an sich selbst und mehr als Eros zu einer Person oder Nation. Ihre furchtlose Freiheit lag darin, den Rest der Menschheit mitzulieben. Denn ohne dieses Mitlieben war Freiheit nur ein „vergrößerter Egoismus.“

Der Autor ist Professor für moderne jüdische Philosophie an der University of Virginia, USA.

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