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„Fortune” bei Suärez und beim König

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Wie bekannt, erfolgte am 8. April, eine Woche also nach der Auflösung des „Movimiento Nacional” Francos, die Legalisierung der Kommunistischen Partei Spaniens. Es dürfte sich dabei um die schwierigste Kurve gehandelt haben, die seit dem Beginn der großen Reformen, seit dem Juli des Jahres 1976 also, zu nehmen war. Suärez, der ja bereits unter Franco Minister gewesen ist, und der ebenfalls von Franco herangebildete junge König bewiesen dabei nicht nur demokratische Glaubwürdigkeit, nicht nur besonderes politisches Geschick - es erwies sich auch, daß sie haben, was so vielen heutigen Staatsmännern fehlt: „fortune”.

Unbeschadet seiner wiederholten „demokratischen” Gesten, bildete der PCir«U§«B»ihünistifdfiirPaitefSpi- niens, ein authentisches Tabu für die reifere und die ältere Generation, die beide sich heute in den Schlüsselpositionen der Verwaltung, der Streitkräfte und der Wirtschaft des Landes befinden. Die Erinnerung an den Bürgerkrieg ist heute noch durchaus traumatischer Art und assoziiert sich ganz automatisch mit dem Gedanken an jenen unheilvollen Einfluß stalini- stischer Methoden und marxistisch- leninistischer Doktrin, von dem die Zweite Spanische Republik der Jahre 1931 bis 1936 geprägt war.

Gewarnt von seinen persönlichen Erfahrungen während der Ära Franco und vorher, hatte Ministerpräsident Suärez den konservativen Kräften des Landes anfangs beteuert, die demokratische Reform werde von ihm und seinem Kabinett nicht auf eine Legalisierung der Kommunisten ausgedehnt werden. Vielmehr galt bislang sein Versprechen gegenüber den (noch) franquistischen Cortes und gegenüber der hohen Generalität, er werde die Beteiligung jeder totalitären und von ausländischen Kräften gelenkten Partei am demokratischen Kräftespiel zu verhindern wissen. Dem stand dann aber gegenüber, daß der PCE klugerweise beim Innenministerium ein Programm vorlegte, das sich als „eurokommunistisch” von jeglicher Fernlenkung distanzierte und sich zu den demokratischen Spielregeln bekannte. Den Höhepunkt bildete schließlich Carillos persönliches „Bekenntnis” zur Monarchie…

Nicht dieses „Bekenntnis”, sondern vielmehr das beim Ministerium deponierte, einwandfrei demokratische Parteiprogramm der Kommunisten stellte Suärez vor ein nicht unbedeutendes Dilemma. Die Zurückweisung des PCE hätte jetzt nicht mehr und nicht weniger bedeutet als die Kom- promittierung der noch jungen spanischen Demokratie vor einer dem Lande immer noch reichlich einseitig gegenüberstehenden Weltöffentlichkeit, zudem aber auch, was gravierender war, die Wahlenthaltung der gesamten spanischen Linken. Die Kommunisten legalisieren, hieß aber auf der anderen Seite, die Gefühle der spanischen Rechten, vor allem der hohen Generalität, zutiefst verletzen. Trotz gegenteiliger Versicherungen, haben ja die Streitkräfte immerhin nicht ganz auf ihren politischen Einfluß verzichtet. Die „salomonische” Entscheidung des Ministerpräsidenten, derzufolge Spaniens Oberster Gerichtshof die Legalisierung der Kommunisten zu billigen oder zu verwerfen habe, brachte, wie alle Welt weiß, kein Resultat. Der „Schwarze Peter”, der unter Umständen eine Granate sein konnte, blieb in den Händen der Regierung und hätte am Ende nur noch an die Krone weitergereicht werden können.

Suärez war zu loyal, als daß er dieses innenpolitische Risiko dem König zugespielt hätte. Er benützte die Oster- feiem, um die überraschte Öffentlichkeit vor ein fait accompli zu stellen. Die Legalisierung des PCE fand statt. Tage Spannung folgten, dem Jubelgeschrei und den Loyalitätsbeteuerungen der Linken standen harte Kritik und offene Drohungen der Rechten gegenüber. Der Marineminister demissionierte, mit ihm einige hohe Chargen seines Ministeriums und etliche franquistische Senatoren der Cortes. Die Gefahr war nicht gering, daß die Solidarität der Militärs eine ganze Reihe von weiteren Rücktritten, nicht zuletzt auch unter den Kabinettsmitgliedem, zur Folge haben könnte, was einer Staatskrise gleichgekommen wäre und möglicherweise die ganze Reform in Frage gestellt hätte.

Dem war aber nicht so. Juan Carlos und sein Ministerpräsident hatten eben „fortune”. Die in Madrid zusammengetretene hohe Generalität ließ es bei einer eher respektvoll formulierten Protestnote bewenden und bekannte sich einmütig zum König, zur Regierung und zur nationalen Einigkeit. Der zurückgetretene Marineminister wurde im Kabinett durch den unpolitischen Berufsoffizier Vizeadmiral Pery ersetzt, der bereits unter Franco gedient hatte Und dessen Name daher die Rechte beruhigte. Im Zuge dieses Revirements tauchte sodann der Gedanke auf, die drei Ministerien der Streitkräfte in einem einzigen Verteidigungsministerium zusammenzufassen und dieses einem Politiker zu unterstellen, wie dies in den meisten westlichen Demokratien üblich ist.

König und Ministerpräsident können somit ihr Reformwerk fortsetzen. Der Staatsbesuch des Königspaares in der Bundesrepublik liegt insofern auf dieser Linie, als damit eine deutliche Geste im Sinne einer künftigen Integration Spaniens in den Gemeinsamen Markt getan wurde. Suärez seinerseits bereiste die USA und Mexiko. Hiebei lag der Akzent auf Mäxiko, das bisher nur die Phantasmagorie einer republikanischen Exilregierung anerkannt hatte und mit dem nunmehr normale diplomatische Beziehungen hergestellt werden konnten. Für die spanische Wirtschaft freilich war das Gespräch des Ministerpräsidenten mit Präsident Carter interessanter, von dem man sich die Lösung einiger recht drückender wirtschaftlicher Probleme verspricht.

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