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Einigung um eine „Klapperschlange“?

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Die Staats- und Regierungschefs der neun Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft haben sich in Brüssel auf das neue „Europäische Währungssystem“ (EWS) geeinigt. Im Jänner 1979 soll es in einer Experimentierperiode für die Dauer von zwei Jahren in Kraft gesetzt werden. Großbritannien, Irland und Italien nehmen jedoch daran (noch) nicht teil.

Dagegen haben Norwegen und die Schweiz bereits ihr Interesse an einem Beitritt zu dieser Zone stabiler Wechselkurse durchblicken lassen. Mit dem EWS soll der Versuch unternommen werden, neben den von internen Wechselkursschwierigkeiten nicht geplagten Wirtschaftsgroßmächten USA und Japan eine europäische Zone stabiler Wechselkurse zu errichten, die dem Außenhandel der beteiligten Länder mehr Sicherheit verleiht.

Nachdem Anfang der siebziger Jahre das bis dahin funktionierende System weltweiter fester Wechselkurse auseinandergefallen war und das zur Zeit nur noch von Dänemark, den Benelux-Staaten und der Bundesrepublik Deutschland getragene europäische Währungssystem der „Schlange“ sich als zu schwach erwiesen hatte, bleibt das vor allem unter den Pressionen des Dollar-Kursverfalls zustandegekommene Experiment des EWS vorerst mit noch so vielen Zweifeln versehen, daß Spötter bereits von der „Klapperschlange“ sprechen.

Die vom französischen Staatspräsidenten Valery Giscard d'Estaing und dem deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt initiierten, problemlösenden Kategorien des EWS enthalten ebensoviele hoffnungsvolle Möglichkeiten wie drohende Gefahren. Wesentliche Grundsätze der „Schlange“ sind übernommen worden. Zentral steht im EWS die neugeschaffene „Europäische Währungseinheit“ (EWE oder ECU in Englisch), eine Art von Rechenschieber-Geld zur Feststellung der Währungsparitäten, mit denen die Notenbanken der Mitgliedsländer alle Transaktionen, Verbindlichkeiten und Forderungen ausdrücken. Die Tageskurse der einzelnen Währungen dienen der EWE als Leitkurs, von dem wiederum der Interventionskurs abgeleitet wird.

An ihm erkennen die Notenbanken, wann die errechnete zugelas-

sene Grenze der Schwankungsbreite einer Nationalwährung erreicht ist. Die Notenbanken greifen dann durch Stützungskäufe oder Verkäufe ein. Währungspolitisch neu hantierte Begriffe wie „Divergenzindikator“ und „Divergenzschwelle“ sollen verhindern, daß es überhaupt zu nicht zugelassenen Uberschreitungen kommt. Zur Absicherung hat jedes Mitgliedsland des EWS zwanzig Prozent seiner Währungsreserven in Gold und Dollars gegen europäische Währungs-. einheften abgetreten.

Mit dem Beitritt Frankreichs zur „Schlange“ der fünf EG-Länder wäre eine folgerichtige Bekämpfung der Inflationsprobleme dieser sechs Länder gewiß eher möglich als mit dem sofortigen Beitritt eines inflationsgekennzeichneten Landes wie Großbritannien oder wirtschaftspoli-tisch auf Gemeinschaftsunterstützung angewiesenen Landes wie Italien. Ob den Inflationsgefahren allerdings durch die sechs Länder wirkungsvoll begegnet werden kann, hängt vor allem davon ab, ob sich auf die Dauer die marktwirtschaftlichen Auffassungen gegenüber den büro-kratisch-euro-dirigistischen Plärien durchsetzen können.

Die Glaubwürdigkeit von Bundeskanzler Schmidt hinsichtlich der Effektivität des EWS wird durch seinen Ausspruch „Soziale Marktwirtschaft“ sei ein „Schlagwort“ weiterhin begrenzt bleiben. Seine Kritiker in der Bundesrepublik Deutschland verweisen auf die nicht unbeträchtlichen Gefahren einer Unterordnung der deutschen Währungspolitik unter die Ansprüche zur Aufrechterhaltung der schwächeren EWS-Partner. Sieht man einmal von Frankreich ab, bleiben vornehmlich Belgien, Dänemark und die Niederlande als Gefahrenherde einer möglichen Inflationsschwängerung auf Grund ihrer unsicheren politischen Zustände und ihrer rücklaufenden Wirtschaftsleistung.

Welche Konsequenzen sich für Österreich aus dem neugeschaffenen europäischen Währungssystem ergeben, wird sich erst nach der Anlaufperiode des EWS abzeichnen. Tritt tatsächlich eine mittelfristige Beruhigung in den europäischen Währungsparitäten ein, wäre dies schon ein kleiner Gewinn in Richtung eines spürbaren wirtschaftlichen Aufschwungs.

Straßen der Stadt beweist, daß hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Alle fünf Kilometer sind am Rande stilisierte Darstellungen von Krankenwagen mit Rotlicht aufgestellt, darüber das Gebot an die motorisierten Passanten: „Achtung, rechts fahren!“ Tatsächlich sind die linken Fahrbahnen und sogar die Mittelstreifen für andere reserviert: Die Funktionärskarossen flitzen ohne Geschwindkeitsbeschränkung, ohne Beachtung der Uberholverbote, von Sperrlinien und Stopschildern dahin. Hinter den zugezogenen Vorhängen der Autotypen „Sil“ oder „Tschaika“ verbergen sich die höheren Diener des Staates vor den Augen der Öffentlichkeit.

Privilegien sind grundlegender Bestandteil des Sowjetstaates, in

„Ausstattung mit Privilegien bestimmt die sogenannte Nomenklatura', die Stufenleiter der Hierarchie.“

dem angeblich die Klassenunterschiede aufgehoben sind. Ausstattung mit Vorrechten ist gewissermaßen das öl, mit dessen Hilfe die gesellschaftliche Maschinerie in Schwung gehalten wird.

Noch mehr stattet eine Mangelgesellschaft jeden mit Macht über andere aus, der über gefragte Güter des täglichen Bedarfs verfügt. Der Regimekritiker Sinowjew äußerte vor mir den Verdacht, daß die Engpässe in der Versorgung sogar künstlich aufrecht erhalten werden, um das System der Privilegien noch wirksamer ausnützen zu können.

Ausstattung mit Privilegien bestimmt die sogenannte nomenklatu-ra, die Stufenleiter der Hierarchie. Diese Vorrechte vor anderen lassen sich nur selten monetär ausdrücken. Zugang zu besonderen Geschäften, schönere Wohnungen, Aufenthalte in den prachtvollen Sanatorien, besondere Schulen, das alles sind Möglichkeiten, die sich nicht mit Geld erkaufen lassen.

Wissenschaftler, Künstler und Sportler erhalten ihre besonderen Vergünstigungen, besonders gefragt: Auslandsreisen als Belohnung für Wohlverhalten. Ich habe die herrlichen Sommerhäuser der Generäle, Schriftsteller und Journalisten im Dichterdorf Peredelkino gesehen. Die Datschen der Parteigrößen werden vor den Augen gewöhnlicher Sterblicher verborgen.

Und ein dergestalt Ausgezeichneter konnte von sich sagen: „Ich war privilegiert und bin es immer noch -nach dem Gesetz der Trägheit. Ich war sogar überprivilegiert, weil ich Mitarbeiter in der allerobersten Kriegsindustrie gewesen bin. Ich erhielt ein für sowjetische Maßstäbe kolossales Gehalt, Prämien und besondere Rechte.“

Es war der sowjetische Atomphysiker Andrej Sacharow.

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