Flugzeug in Wolken - © Pixabay/Christo Anestev

Warum Nachtzüge nicht immer eine Alternative zu Kurzstreckenflügen sind

19451960198020002020

Die Diskussion um die Abschaffung von Kurzstreckenflügen zugunsten von Nachtzügen übersieht wichtige praktische Aspekte – gerade für Geschäftsreisende ist die Bahn nämlich keine praktikable Alternative

19451960198020002020

Die Diskussion um die Abschaffung von Kurzstreckenflügen zugunsten von Nachtzügen übersieht wichtige praktische Aspekte – gerade für Geschäftsreisende ist die Bahn nämlich keine praktikable Alternative

Werbung
Werbung
Werbung

In vielen Medien wird verstärkt dafür geworben, statt kurzer Flüge am Tagesrand Nachtverbindungen per Bahn zu nützen. Die enorme Preisdifferenz zwischen Flug und Schlafwagen sei hier einmal außer Acht gelassen (fairerweise sollte man beim Vergleich immer mit dem Preis des Single-Schlafwagens kalkulieren; schließlich übernachtet man ja auch sonst nicht mit einem fremden Mitbürger im Hotelzimmer). Ein genauer Blick zeigt aber, dass die Ankunftszeiten der Züge für den Geschäftsreisenden und für den im Kulturbetrieb Stehenden nur beschränkt praktisch sind (von Wien nach Amsterdam 11.01 Uhr, Hamburg 8.47 Uhr, Warschau 8.52 Uhr; besser: Köln 7.03 Uhr, Mailand 7.20 Uhr). Den Vogel schießt Brüssel ab mit 10.35 Uhr. Es ist eine Umsteigeverbindung! Aber welches Hotel ist vor zehn Uhr bereit zum Check-in? Direkt aus dem Schlafwagen zur Konferenz, zum Vortrag, zur Probe? Schon möglich, aber äußerst unbequem.

Mit hundert Schlafwagen nach Brüssel

Es gehört auch nicht viel dazu, Flüge zwischen Wien und München als unnötig einzustufen. Allerdings lässt man dabei außer Acht, dass es sich hier überwiegend um Zubringerverkehr handelt (2021: 80 Prozent). Da wird dann rasch eingewendet, dass auch für diesen Zubringerverkehr die Bahn vorzuziehen wäre. Aber selbst wer in Wien sehr früh in den Zug steigt, erreicht eine ganze Reihe von Langstreckenflügen in München nicht. Für Frankfurt und Zürich ist die Lage noch ungünstiger. Und wie sich die Dinge in der anderen Richtung darstellen, wird erst recht kaum wahrgenommen. Wer etwa am Vormittag von Kalifornien in Frankfurt ankommt, hat ja nicht nur den langen Nachtflug hinter sich, sondern auch noch fast den ganzen Tag davor am Abflugsort. Man ist seit 20 Stunden in den Kleidern, und es ist nicht nur „ein bisschen unbequemer“, ob man dann noch acht Stunden nach Wien braucht statt zwei.

In diesem Kontext erinnert man sich an die Diskussionen über das Geschick der AUA und ihr Überleben in der Pandemie. Da wurde als Bedingung für frisches Geld die Einstellung von Kurzstrecken gefordert. Oft forderten aber dieselben Ratgeber, dass „der Hub-Wien erhalten bleiben muss“. Hier wird übersehen, dass ein Hub definitionsgemäß der Verschränkung von Kurz- und Mittelstrecken mit Langstrecken dient. Die Langstrecke braucht die Zubringer, um rentabel zu sein, und umgekehrt. 2018 sind 73 Prozent der Passagiere eines AUA-Kurzstreckenfluges bis zu 400 Kilometer in Wien umgestiegen. Die Langstrecke wird zu 55 Prozent von Umsteigepassagieren genutzt, bei Osteuropa-Verbindungen sogar zu 65 Prozent. Konfrontiert man einen Flugschämer mit diesen Beobachtungen, wird die Geschäftsreise schlau zur Reise verbogen. „Da nehme ich mir einfach mehr Zeit und fahre eben am Tag davor hin.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung