"Patriarch des Abendlandes": Franziskus als "primus inter pares"

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Benedikt XVI. hat den Titel „Patriarch des Abendlandes“ abgelegt, was bei den Orthodoxen Irritationen auslöste. Sein Nachfolger führt ihn nun wieder ein. Was heißt das für die Ökumene? Ein Gastkommentar.

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Benedikt XVI. hat den Titel „Patriarch des Abendlandes“ abgelegt, was bei den Orthodoxen Irritationen auslöste. Sein Nachfolger führt ihn nun wieder ein. Was heißt das für die Ökumene? Ein Gastkommentar.

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Ebenso leise, wie der Papsttitel 2005 unter Benedikt XVI. aus dem Annuario Pontificio, dem offiziellen Jahrbuch des Vatikans, verschwand, ist er fast 20 Jahre später wieder aufgetaucht. Über den Zeitpunkt mag man spekulieren können. Aber diesen Titel wieder zu führen, fügt sich in das Primatsverständnis von Papst Franziskus.

Man darf mutmaßen, dass er diesen Schritt nicht zu Lebzeiten seines Vorgängers unternahm, um diesen nicht zu brüskieren. Dass Papsttitel abgestreift werden, ist zunächst nicht unbedingt ein Schaden. Benedikt XVI. hatte aber bedauerlicherweise jenen abgelegt, der den Bischof von Rom als „Patriarch des Abendlandes“ bezeichnete. Dies ist ein Titel, der auf die Struktur der Alten Kirche verweist – und ein ökumenischer Anknüpfungspunkt für den Dialog mit den Ostkirchen ist. Es wäre besser gewesen, den Titel „Stellvertreter Christi“ (Vicarius Christi) zu tilgen, der erst unter Papst Innozenz III. (+ 1216) eingeführt worden war.

Innozenz III. oder Franz von Assisi?

Dieser verkörperte den Gipfelpunkt päpstlicher Macht. Dem Papst komme die Fülle der Gewalt zu, die aus der Königsherrschaft Christi abgeleitet werde, meinte Innozenz III., und der Papst stelle den typus Christi auf Erden dar, allerdings nicht die dienende Knechtsgestalt Jesu, sondern die herrschende Funktion des zur göttlichen Glorie erhöhten Herrn. Auf dieses Primatsbild verwies implizit Benedikt XVI. bei seiner ersten Predigt nach seiner Wahl. Er sprach über Petrus als Felsen, auf den Christus die Kirche bauen werde (Mt 16,18) und fügte hinzu: „Als er [Christus] mich zum Bischof von Rom erwählt hat, wollte der Herr mich zu seinem Stellvertreter, er wollte mich zum ‚Felsen‘ machen, auf den sich alle sicher stützen können.“

Den Gegenentwurf zu Innozenz bildete übrigens sein Zeitgenosse Franz von Assisi, dessen Namen der gegenwärtige Papst angenommen hat. Franz von Assisi setzte den päpstlichen Erhebungen der eigenen Person christliche Demut, Liebe zum Geringen und Verachteten in der Welt entgegen.

Bereits zu Beginn seines Pontifikats hat Papst Franziskus sein Amts- und Primatsverständnis angedeutet. Von seinen ersten Worten nach seiner Wahl ist vielen noch das Buonasera im Ohr. Allerdings verwies er, von den Kommentatoren unbemerkt, auch auf ein sehr frühes Verständnis der römischen Kirche. Er sagte, dass Bischof und Volk den Weg der Kirche gemeinsam gehen mögen, und charakterisierte die Kirche von Rom als jene, „die den Vorsitz in der Liebe führt“. Damit verwies er auf einen der frühesten Kirchenväter, Ignatius von Antiochien, der dies um 110 in seinem Brief an die Römer auf seinem Weg ins Martyrium schrieb. Ignatius schrieb der Kirche von Rom zweifellos einen Ehrenplatz zu, aber dieser hat nichts mit späteren päpstlichen universalen Primats- und Jurisdiktionsideen zu tun. Franziskus verweist also auf eine frühkirchliche Praxis, die Rom nicht über anderen Gemeinden im Sinne von Machtausübung sieht.

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