Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) - © Foto: APA/Tobias Steinmaurer

Gewesslers Ja zur Renaturierung: Der Zweck heiligt nicht die Mittel

19451960198020002020

Warum der Alleingang von Klimaministerin Leonore Gewessler ein massives Problem mit dem Rechtsstaat offenbart. Ein Gastkommentar als Replik auf den letztwöchigen FURCHE-Leitartikel.

19451960198020002020

Warum der Alleingang von Klimaministerin Leonore Gewessler ein massives Problem mit dem Rechtsstaat offenbart. Ein Gastkommentar als Replik auf den letztwöchigen FURCHE-Leitartikel.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Ereignisse vom Vormittag des 17. Juni in Luxemburg sind allgemein bekannt: Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) stimmte im Rat der Umweltminister der EU-Verordnung zur Renaturierung zu und verschaffte damit dem Antrag des belgischen Ratsvorsitzes die nötige Mehrheit von 55 Prozent der EU-Staaten und 65 Prozent der EU-Bevölkerung (ohne Österreich wären es nur 64 Prozent gewesen). Der belgische Umweltminister verkündete strahlend das Ergebnis, das offensichtlich seinen Wünschen entsprach. Wie hatte er selbst abgestimmt? Er hatte sich der Stimme enthalten.

Ein Widerspruch? Nein, nur ein scheinbarer. Belgien ist ein kompliziertes Konstrukt mit einer gesamtstaatlichen Regierung, Regionalregierungen für Flandern und der Wallonie sowie Sonderregelungen für Brüssel und noch einer Reihe von spezifischen Bestimmungen. Die innerstaatliche Willensbildung hatte letztlich die erwähnte Stimmenthaltung zur Folge. Das geschah völlig geräuschlos. Denn offensichtlich ist Belgien wohl ein komplizierter Staat, aber die handelnden Personen kennen die entsprechenden Regeln, und sie halten sich daran.

Taktisches Spiel

Österreich ist ein vergleichsweise einfach aufgebauter Staat. Es hat der Verfassung nach einen relativ starken Bund, der den Gesamtstaat vertritt und nominell einen – etwa im Vergleich zu Deutschland – eher schwach ausgeprägten Föderalismus. In der Praxis haben die Landeshauptleute jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung eine ziemlich starke Position errungen. Zu den nicht sehr umfangreichen Kompetenzen der Bundesländer gehört jedenfalls der Naturschutz. In der Angelegenheit der EU-Renaturierungsverordnung machten die Länder nunmehr von ihren rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch und legten die Umweltministerin gegen eine Zustimmung (de facto auf eine Enthaltung) fest. Die nachfolgende Erklärung von zwei SPÖ-Landeshauptleuten, sie wären eigentlich für die Verordnung, fällt unter taktisches Spiel, ist aber rechtlich irrelevant. Denn hätten sie aufgrund neuer Umstände ihre Haltung rechtswirksam ändern wollen, dann hätten sie eine neue Sitzung mit neuem Beschluss anstrengen müssen. Diese Vorgangsweise zeugt nicht von besonderer demokratischer Reife.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung