Arnold Mettnitzer - © Foto: Werner Krug

Arnold Mettnitzer: "Der Lebensherbst kann leuchten"

19451960198020002020

Wachsen bis zuletzt? In seinem neuen Buch "Die Veredelung der Zeit" erzählt Psychotherapeut Arnold Mettnitzer von Erlebnissen mit Menschen, die im Älterwerden Glück und Sinn finden. Ein Gespräch über kostbare Begegnungen und transformative Momente.

19451960198020002020

Wachsen bis zuletzt? In seinem neuen Buch "Die Veredelung der Zeit" erzählt Psychotherapeut Arnold Mettnitzer von Erlebnissen mit Menschen, die im Älterwerden Glück und Sinn finden. Ein Gespräch über kostbare Begegnungen und transformative Momente.

Werbung
Werbung
Werbung

"Couch und Altar": So lautet ein Buchtitel von Arnold Mettnitzer, in dem der Erfahrungsschatz seiner beiden Berufsfelder zusammengeführt wird: Psychotherapie und Seelsorge. Der gebürtige Kärntner war als Theologe von 1979 bis 2001 Seelsorger in der Diözese Gurk-Klagenfurt; seit 1996 arbeitet er als Psychotherapeut in freier Praxis in Wien. Im eben erschienenen Buch „Die Veredelung der Zeit“ (Kneipp-Verlag) wirft der 71-Jährige einen hoffnungsvollen Blick auf die Potenziale des Älterwerdens – und ermutigt dazu, die Angst vor dieser Lebensphase zu überwinden, um bis zuletzt Glück und Sinn zu suchen. Die FURCHE bat den viel beschäftigten Therapeuten und Vortragenden deshalb zum Interview.

DIE FURCHE: Sie schreiben über die Möglichkeiten eines gelungenen Älterwerdens. Gibt es dafür einfache Ratschläge?

Arnold Mettnitzer: Alles hängt im Grunde davon ab, wie wir auf das Alter schauen: Entweder wir sind der Überzeugung Knut Hamsuns und meinen: „Das Alter macht alt, sonst gar nichts.“ Oder aber wir sehen mit den Augen mediterraner Menschen im Alter die „Transparenz des Lichts“, wie ich das neun Jahre während meiner römischen Studientage erleben durfte. Nie sind Menschen so durchsichtig und klar wie im Herbst ihres Lebens, geläutert durch ihre Erlebnisse und Erfahrungen. Darum genießt der alte Mensch – und sei er noch so sehr von der Last seines Lebens und von Krankheit gezeichnet – in mediterranen Gesellschaften einen viel höheren Stellenwert als bei uns.

DIE FURCHE: Älterwerden bedeutet auch, sich die essenzielle Abhängigkeit von anderen Menschen teils schmerzhaft bewusst zu machen …

Mettnitzer: Vom ersten Augenblick unseres Lebens bis zum letzten Atemzug lenken uns zwei fundamentale Erfahrungen, die wir bereits aus unserer Zeit als Embryo im Mutterleib kennen: Dass wir im Uterus mit unserer Mutter aufs Engste verbunden waren und daraus nach der Geburt die Erwartung wachsen konnte, es möge da draußen in der Welt so weitergehen. Es könnte ja auch dort jemanden geben, der uns Geborgenheit und Schutz gibt – und das Gefühl, dazuzugehören und nicht alleingelassen zu werden. Dazu gesellt sich die zweite bereits im Mutterleib gemachte Erfahrung, dass wir dort nicht nur geschützt und verbunden waren, sondern auch wachsen und uns entfalten konnten. Und auch das haben wir ins Leben mitgebracht als unauslöschliche Hoffnung, wir könnten auch nach der Geburt Gelegenheiten finden, unsere Potenziale zu entfalten. Damit ist das Spannungsfeld beschrieben, in dem ein Mensch sein Leben schon „vor der Wiege“ – und nicht erst „von der Wiege“ – bis zur Bahre verbringt: in der Sehnsucht, wachsen zu dürfen und gleichzeitig verbunden zu sein. Diese beiden Grundbedürfnisse bleiben bis zum letzten Atemzug der innere Motor und die Triebfeder all unserer Tage.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung