Richard III.

Richard III.: Wiener Festwochen begnügen sich mit halben Sachen

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Die Inszenierung des Shakespeare-Klassikers wirkt unübersichtlich. Genauso unausgegoren scheint die Festwochen-Entscheidung um Dirigent Curentzis. 

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Die Inszenierung des Shakespeare-Klassikers wirkt unübersichtlich. Genauso unausgegoren scheint die Festwochen-Entscheidung um Dirigent Curentzis. 

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Nichts ist schlechter als fehlende oder ungenügende Kommunikation. Das zeigte sich auch bei den Wiener Festwochen. Noch hatten sie nicht begonnen, und schon gab es einen Eklat, ausgelöst durch den neuen Intendanten Milo Rau. Mit zwei Requien, Brittens „War Requiem“ und dem „Kaddish Requiem ‚Babyn Jar‘“ des zeitgenössischen ukrainischen Komponisten Jevhen Stankovych, wollte er an die kriegerischen Turbulenzen der Gegenwart erinnern – mehr noch: sie geißeln. Ein kluges Konzept. Prominente Interpreten waren als Dirigenten vorgesehen: für Britten Teodor Currentzis, für den ukrainischen Beitrag die aus Brody stammende, Bayreuth-erfahrene frühere Chefdirigentin der Grazer Oper und gegenwärtige Musikdirektorin des Opernhauses von Bologna Oksana Lyniv.

Halbe Sachen statt Konfliktlösung

Nicht, dass Lyniv grundsätzlich etwas gegen Currentzis’ Engagement gehabt hätte. Aber mit jemandem Teil eines Projekts zu sein, dem – wie diesem Dirigent – bis heute kein Wort über die russische Aggression gegenüber Russland über die Lippen gekommen ist, das konnte die ukrainische Maestra nicht akzeptieren. Vor allem auch, weil man sie davor nie von diesem Plan informiert, sie vielmehr vor beschlossene Tatsachen gestellt hatte. Vielleicht wäre es mit Courage sowie einigem diplomatischen Geschick gelungen, dennoch zu einer Lösung zu kommen, um der ursprünglichen Absicht zum Durchbruch zu verhelfen. Offensichtlich aber nicht, denn schließlich luden die Festwochen Currentzis aus, eine problematische Entscheidung. Schadensbegrenzung bedeutet nicht immer Konfliktlösung.

Dabei wäre Brittens „War Requiem“ – noch dazu in der geplanten Besetzung – gewiss auf ein ebenso großes Interesse gestoßen wie die beiden ukrainischen Beiträge, die Lyniv mit der ihr eigenen Energie und Kompetenz an der Spitze des Kyiv Symphony Orchestra, den Mitgliedern des YsOU Young symphony Orchestra of Ukraine, des National Choir of Ukraine „Dumka“ und den prägnant akzentuierenden Solisten im Wiener Konzerthaus präsentierte. Zuerst Evgeni Orkins „Todesfuge“ für Violine, Sprecher und Orchester, basierend auf Paul Celans gleichnamigem Gedicht. Dann Stankovychs das größte Einzelmassaker des Zweiten Weltkriegs thematisierende „Kaddish Requiem ‚Babyn Jar‘“ (Text: Dmytro Pawlytschko). Beides sind von den ihnen zugrunde liegenden Themen höchst inspirierte, bewegende Bekenntnismusiken, welche die Konzentration der Zuhörer bewusst fordern. Allerdings: Wenn dieses Projekt ein solches Festwochen-Anliegen war, weshalb wurde es nur einmal aufgeführt? Und warum hat man sich nicht der Mühe unterworfen, dazu ein informatives Programmheft zu gestalten, nicht so ein dünnes Placebo?

Was soll dieser „Richard III.“?

Am Ende doch nur eine halbe Sache, wie auch die letzte Kammeroper-Premiere dieser Saison: „Richard III. Musiktheater nach der Tragödie von William Shakespeare“ mit Musik von Henry Purcell respektive einiger seiner Zeitgenossen. Es ist eine Art literarisch-musikalisches Pasticcio, in dem die Titelfigur gleich verdreifacht erscheint. Um damit die Vielschichtigkeit seiner Persönlichkeit zu verdeutlichen? Oder um das ohnedies schon durch eine mehr beliebige als durchdachte Dramaturgie (Kai Weßler) angekränkelte Geschehen noch unübersichtlicher zu machen?

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