Hauptsache Hotpants

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In der medialen Darstellung von Sportlerinnen sind Stereotype und Sexismen nach wie vor verbreitet. Ein EU-Projekt möchte Bewusstseinsarbeit leisten.

Anna Kurnikowa wohnt in einer Villa in Miami mit sieben Schlafzimmern, ist seit kurzem - gerüchteweise - mit Enrique Iglesias verheiratet und hat auch schon ihr eigenes Parfüm präsentiert: "Simplicity". Nur eines hat die 23-jährige russische Tennisspielerin bis dato nicht geschafft: ein Tennisturnier im Einzel zu gewinnen. Trotzdem war die Sportlerin mit den "engelsblonden Haaren" und den "kräftigen und dennoch wohlgeformten Beinen" in den Medien stets präsent.

Das "Kurnikowa-Syndrom" grassiert nicht nur im Tennis. Generell werden bei der Sportberichterstattung Frauen "eher passiv, eher schmückend und in aufreizenden Posen" dargestellt, weiß Rosa Diketmüller, Professorin am Zentrum für Sportwissenschaft und Universitätssport der Universität Wien mit Schwerpunkt Frauen- und Genderforschung: "Bei Frauen ist mangelnde Attraktivität ein Ausschließungsgrund für mediale Präsenz." Nicht so bei Männern: "Ein nicht schöner Mann kann durchaus in die Medien kommen, weil ja die Leistung zählt." Umgekehrt würde bloße Attraktivität für erfolglose Sportler aber nicht reichen. Ein "Herr Kurnikow" in den Sportnachrichten? Undenkbar.

Kurnikowa-Syndrom

Umso mehr ärgert Diketmüller, dass auch die Sportverbände selbst der zunehmenden Sexualisierung im Damensport Vorschub leisten: So gab etwa der Internationale Volleyballverband bei den Olympischen Spielen in Athen die klare Vorgabe aus, wonach die Hosen beim Damen-Beach-Volleyball eine gewisse - recht knappe - Beinlänge nicht überschreiten dürfen. "Die Hosen der Männer waren hingegen sogar extrem lang", kritisiert Diketmüller.

Nicht nur qualitativ, auch quantitativ unterscheiden sich die medialen Darstellungen von Männer- bzw. Frauensport erheblich: So wurde laut einer Studie aus dem Jahr 1986 auf den Sportseiten deutscher Tageszeitungen zu 94 Prozent über Männersport und nur zu sechs Prozent über Frauensport berichtet. Laut einer zweiten Studie aus dem Vorjahr hat sich dieses Verhältnis lediglich auf 88:12 Prozent verbessert. Diese Zahlen betreffen das Alltagssportgeschehen. Bei Großveranstaltungen wie Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen ist dieses Verhältnis mit 70:30 nicht ganz so extrem.

Ein Paradebeispiel für die unterschiedliche mediale Gewichtung ist der Fußball: Während etwa den heimischen - höchst durchschnittlichen - Männer-Spielen in den Printmedien breiter Raum gegeben werde, seien beim Frauen-Fußball selbst Länderspiele kaum präsent. "Auf Anfrage kommt immer das Argument: Es fehlt die Leistung. Doch sobald ein neuer Soccer-Kalender präsentiert wird, bei dem Frauen kaum bedeckt posieren, ist eine halbe Seite frei", so Diketmüller.

Das eu-Projekt "Sports, Media and Stereotypes", an dem Island, Norwegen, Litauen, Italien und Österreich teilnehmen und das Diketmüller mit ihrer Expertise begleitet, soll nun einen Bewusstseinswandel einleiten. In einem ersten Schritt werden in den Ländern qualitative und quantitative Daten über die Darstellung von Sportlerinnen und Sportlern im Fernsehen und in zwei nationalen Tageszeitungen gesammelt. Welche österreichischen Medien dazu ausgewählt werden, ist noch offen. In einem zweiten Schritt sollen bis Jänner 2006 Multi-Media-Pakete erarbeitet werden, um Meinungsmacher zu sensibilisieren. "Wir wollen damit vor allem Sportjournalistinnen und -journalisten sowie Funktionärinnen und Funktionäre erreichen", erklärt Martina Handler, Österreich-Koordinatorin des Projekts und Mitarbeiterin an der "Ludwig-Boltzmann-Forschungsstelle für Politik und zwischenmenschliche Beziehungen" in Wien.

Übergeordnetes Ziel ist es, Mädchen und Frauen zum Sport zu ermutigen, betont die Leiterin der Forschungsstelle, Edit Schlaffer: "Mädchen betreiben Sport oft nur, um abzunehmen, aber nicht aus Freude an der Bewegung." Es fehle vor allem an medial transportierten Role-Models, glaubt Schlaffer. "Steffi Graf ist so ein Einzelfall: Sie ist ist nicht nur durch ihre Spitzenleistungen im 800-Meter-Lauf medial präsent, sondern auch als starke, engagierte Frau."

Untergriffige Kollegen

Diese Role-Models entsprechend zu präsentieren, ist Aufgabe des Sportjournalismus. Wobei auch hier Frauen lange Zeit mit Vorurteilen zu kämpfen hatten, weiß Veronika Slupetzky, die regelmäßig die 20-Uhr-Sportnachrichten im orf präsentiert und sich in ihrer Diplomarbeit mit der Situation der Sportjournalistinnen in Österreich beschäftigt: "Früher mussten sich Frauen oft gegen Untergriffe von Kollegen wehren. Heute ist es sicher besser, aber auch nicht optimal, sonst müsste man es nicht zum Thema machen."

Dass Männer und Frauen Sportereignisse anders kommentieren, ist für Slupetzky - eine von fünf Journalistinnen in der 60-köpfigen orf-Sportredaktion - offenkundig: "Wenn Männer berichten, kommen öfter Ausdrücke wie unsere Gold-Mädels' oder das fesche Mädel aus Tirol' vor. Solche Verniedlichungen würde ich nie verwenden. Aber Männer machen eben Sport für Männer."

Die sonntägliche TV-Übertragung vom Kitzbüheler Slalom am Ganslernhang passt ins Bild: Männer fuhren Ski, Männer kommentierten. Die einzigen Frauen kamen nur am Rande des Spektakels vor: Sie tanzten halbnackt Samba ...

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