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Wohin, Jugend?

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Ob „die“ moderne Jugend gut oder schlecht ist? Ob das konventionelle Leben der Erwachsenen für die Jugend noch einen verpflichtenden Sinn hat? Mit dieser Frage muß man sich auseinandersetzen, weil sie dem Jugenderzieher immer wieder begegnet. Und sie muß beantwortet werden, wollen wir den Kontakt mit der Jugend nicht ganz verlieren.

Im allgemeinen werden die Werturteile über die Jugend viel zu rasch und impulsiv gefällt, nur dem flüchtigen Auganschein nach. Und augenscheinlich teilen sich diese Werturteile in zwei „feindliche“ Lager. Das eine, das der Pessimisten, wird nicht müde, ein in äußerst düsteren Farben gehaltenes Bild der heutigen Jugend zu malen.

Das andere Lager ist , zu optimistisch gestimmt und sieht alles durch eine rosa Brille.

Wie aber benimmt sich die Jugend diesen so rasch gefällten Werturteilen gegenüber? Sie tut das beste, was sie tun kann: sie nimmt sie wortlos zur Kenntnis. Sie fühlt nämlich, daß diese Urteile unfruchtbar sind und ihr in ihrem Suchen nach den wahren Lebenswerten nicht weiter zu helfen vermögen. Einzig von Wichtigkeit ist für sie nur die Frage, ob es überhaupt Werte gibt, die sie als verbindlich anerkennen kann. Immer wieder versucht diese Jugend, das schiefe Weltbild, das man ihr gewaltsam aufzwängen möchte, beiseite zu schieben und zu den wirklichen Werten des Lebens vorzustoßen.

Unter den Jugendlichen macht sich auch eine distanzierte Haltung gegenüber den Glaubenswerten bemerkbar, weil sie dartun, daß die Bedürfnisse der menschlichen Seele unzerstörbar sind. Ein Hauptgrund für diese indifferente Haltung aber ist auch die fast vollständig technisierte Umwelt. Das Leben ist konkreter geworden, man lebt mit Gegenständen, nicht mit Ideen. Darum ist für die Glaubenswahrheiten wenig Platz. Gebote, Glaubenssätze, Tugenden werden von den Jugendlichen nur nach ihrer Bewährung im Konkreten, im täglichen Leben bewertet. Wenn aber beispielsweise Tugenden die im Leben gestellten Aufgaben nicht mehr bewältigen können, wird nach neuen Tugenden gefragt, die der veränderten Lage gerecht werden können. Und die Jugend sucht sie im materialistischen Weltbild.

Erloschene Sterne

Die Kirche trägt den neuen Verhältnissen Rechnung, besonders jetzt, nach dem Konzil. Sie, die in die Geschichte, in die Politik, in die Weltvorgänge organisch hineinverflochten ist, muß auch deren gewaltige Wandlungsprozesse mitmachen.

Freiheit und das Verlangen nach Wahrheit, das sind die wesentlichsten seelischen Grundbedürfnisse des Menschen, die ständigen Erwartungen, die unbedingt notwendigen Gravitationspunkte der menschlichen Seele. Kein naturwissenschaftlich orientiertes Weltbild kann sie auslöschen, auch keine Diktatur, wie lange sie auch dauern mag. Wie das Wasser, das immer abwärts fließt, so gehorcht die Seele unwandelbaren Imperativen, die aus sich selber wirken, wenn sie nicht gewaltsam unterdrückt werden.

Wer nun aber behauptet, die Jugend hätte überhaupt keine Ideale, keine Leitbilder mehr, der geht irre. Es haben für den Jugendlichen nur bestimmte Sterne am Himmel der menschlichen Werte keine Leuchtkraft mehr. Anders ausgedrückt: Der junge Mensch nimmt in bezug auf unzählige Werte in seinem eigenen Verhalten wie in dem seiner Mitmenschen gar keine Unterschiede wahr. Noch deutlicher gesagt: Der Christ hebt sich nicht mehr aus der Masse hervor. Er eignet sich daher auch nicht mehr als Leitbild für die Jugend. Man sollte jedoch von dieser Tatsache nicht im Stile der Elegie oder Resignation sprechen, weil wir uns dadurch den klaren Blick vernebeln und den Mut zu einer Änderung rauben. Man muß vorerst einmal das Unbehagen zur Kenntnis nehmen, das den jungen Menschen bei der Beobachtung seiner Umwelt befällt. Sein Unbehagen zeigt sich viel offener als das des Erwachsenen, weil dieser den moralischen Schein zu wahren versteht. Der junge Zeitgenosse aber überblickt die ganze Unerfülltheit und Glanzlosigkeit der gegenwärtigen Welt und verlangt nach inneren Idealen, die er nachleben kann.

Und es gibt sie, die Ideale, vorzüglich im religiösen Bereich, die auch heute noch zeitgemäß sind, ja, die überhaupt nicht altern.

Es ist auch nicht wahr, daß sich der Jugendliche in seinem inneren Halbdunkel wohlfühlt. Es verlangt ihn nach Licht, nach Erkenntnis, nach Wärme, nach Idealen, die er auch in der Welt des Realismus und der forcierten Technik nachleben kann. Diese Ideale aber können nur dem geistigen Bereich entstammen, einer Lichtwelt, die wir Erwachsenen berufen sind, im Innern des Jugendlichen zu entzünden.

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