Bibliothek - ©  APA/AFP/STR - Bibliothek mit gespiegelter Decke in der Stadt Shaoyang in Chinas zentraler Provinz Hunan.

Wolf von Niebelschütz: Ein Außenseiter der deutschen Nachkriegsliteratur

19451960198020002020

Wolf von Niebelschütz blieb nach dem Zweiten Weltkrieg ein Außenseiter, indem er historische Romane schrieb. Während andere Autoren sich mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzten, huldigte er der barocken Opulenz.

19451960198020002020

Wolf von Niebelschütz blieb nach dem Zweiten Weltkrieg ein Außenseiter, indem er historische Romane schrieb. Während andere Autoren sich mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzten, huldigte er der barocken Opulenz.

Werbung
Werbung
Werbung

Bekannt geworden ist Wolf von Niebelschütz (1913–1960) nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem durch seine beiden Romane „Der blaue Kammerherr“ (1949) und „Die Kinder der Finsternis“ (1959). Damit stellte er sich außerhalb seiner Zeit. Während andere damit beschäftigt waren, sich mit dem Nationalsozialismus und dessen Folgen auseinanderzusetzen, oder sich verspätet die Traditionen der Moderne aneigneten, verzog sich Niebelschütz in ferne Vergangenheiten, die er in historischen Romanen ausladend beschrieb. Die junge Literaturgeneration setzte auf eine nüchterne, ausgeräumte Sprache, möglichst ohne schmückendes Beiwerk, um nach deren Korrumpierung durch die Nazis ein Sich-Einnisten in den Text zu verhindern. Sachlichkeit war angesagt. Das Verdikt galt nicht für Niebelschütz, der sich in barock ausgreifenden Satzkonstruktionen austobte. Keine Frage, er war aus der Gegenwart gefallen, stand für eine Epoche, da Opulenz noch einen Wert hatte. Das reicht, um jemanden zum Außenseiter zu stigmatisieren.

Wolf von Niebelschütz und die Nachkriegsliteratur

Er war 32 Jahre alt, als der Krieg vorbei war, hatte schon zwischen den Kriegen publiziert; als Feuilletonredakteur und literarisch. Auch das schaffte Distanz zu den aufstrebenden Jungen. Näher standen ihm die großen Konservativen vom Schlage Rudolf Alexander Schröders, deren Erbauungsästhetik keine Chance mehr hatte. Nun also ein Band mit Prosa von Wolf von Niebelschütz in einem angesehenen Verlag, die zum großen Teil einem heutigen Publikum unbekannt sein muss, zumal sie allenfalls in Tageszeitungen gedruckt wurde. Der Herausgeber Wolfram Benda hat die Manuskripte bei einer Auktion erworben und für eine Veröffentlichung aufbereitet.

Kleine Prosastücke eines Ästheten, Impressionen, Reflexionen, Beobachtungen sind hier versammelt, klug und gewitzt, lauter Arbeiten, die Stil und Form huldigen. Deshalb die Liebe zu Frankreich, wo der Reisende unter dem Eindruck einer Kultur steht, die ihm von Geist und Schönheit durchdrungen scheint. Wenn er 1944 die Bibliothek zu Versailles besucht, umfängt ihn in diesem „Mausoleum des Geistes“ eine „feierliche Grabesstille“. Diese Hingabe ist kühn in einer Zeit, da die Franzosen gerade der deutschen Gewaltherrschaft unterworfen worden waren. Und trotzdem singt Niebelschütz das Hohelied der französischen Kultur, lobt Stendhal über den grünen Klee, begeistert sich für Balzac, verfällt dem Esprit der Madame de Staël.

Die Liebe zur französischen Kultur

Die große Liebe aber gilt dem Werk Alfred de Mussets, dessen Gedichte er übersetzt und in dem er einen Verbündeten Eichendorffs erkennt. In einer Literaturgeschichte der Außenseiter, die erst geschrieben werden muss, sollte Wolf von Niebelschütz eine Sonderrolle bekommen.

Dieser Artikel ist im Original unter dem Titel "Ein großer Unbekannter wird rehabilitiert" am 27. Juni 2024 erschienen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung