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Von der Straße für die Straße

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Megaphon! - Megaphon!" Die Schwarzafrikaner, die die .Straßenzeitung „das Megaphon" verkaufen, sind zu einem vertrauten Bestandteil der Grazer Innenstadt geworden. Sie betonen das Wort Megaphon auf der ersten Silbe, Megaphon, auch dieser fremde Klang des Wortes gehört dazu. Jimi Alex Falade ist einer dieser Verkäufer. Er kommt aus Nigeria und war dort selbst Journalist. Ein regimekritischer Artikel zwang ihn zur Flucht, jetzt ist er Asylant in Graz. Das alles erzählt er, während wir ihn bitten, sich mit der Zeitung in der Hand fotografieren zu lassen. Das war gar nicht so einfach. Die meisten wollten sich nur gegen bare Münze fotografieren lassen, auch mit Jimi mußten wir verhandeln. In der Zeit, die wir fürs Foto brauchen, könne er schließlich fünf Zeitungen verkaufen, erklärte er uns mit ernster Miene. Soviel Geschäftstüchtigkeit gehört unterstützt, wir haben ihm nach der Aufnahme als „Honorar" das Geld für fünf Zeitungen gegeben.

Das Megaphon ist die erste Straßenzeitung Österreichs und soll, wie es im Untertitel heißt, Randgruppen Gehör verschaffen. Die Idee dazu hatte Maria Laura Bono, eine junge Italienerin, die in Graz Volkswirtschaftslehre studiert hat. Zwei Jahre arbeitete sie in London, wo sie auch auf das „Phänomen" Straßenzeitung stieß. „The Big Issue" heißt diese Londoner Straßenzeitung, die wöchentlich erscheint, Sozialpolitisches in allen Ausrichtungen thematisiert und, wie Laura Bono sagt, im Vergleich zum Megaphon ein Riesenbetrieb mit 60 Beschäftigten ist. „The Big Issue" wird von Kolporteuren auf der Straße verkauft, die einen Teil des Verkaufspreises als Lohn erhalten - genau wie Jimi, dem zehn Schilling von den 20 Schilling, die das Megaphon kostet, bleiben.

Die Idee faszinierte die Volkswirt -schaftlerin, es schien ihr den Versuch wert, so etwas auch in Osterreich umzusetzen. Von London kam sie wieder nach Graz, wo sie Caritasdirektor Franz Küberl mit ihrer Idee konfrontierte. Fast ein Jahr plante man, trieb Geldgeber auf und suchte nach Partnern. Im Herbst 1995 war es soweit. Die erste Ausgabe des Megaphons wurde gedruckt, Maria Laura Bonos Zeitungskind war geboren. Und das Megaphon ist wirklich ihr Kind: Idee, Umsetzung, ja sogar Layout und Namensgebung stammen von ihr.

In der Zwischenzeit hat sich die Auflage von anfangs 5.000 Stück auf 7.500 erhöht. 30 Kolporteure verkaufen das Megaphon in den Straßen, Graz mußte schon in Verkaufssektoren eingeteilt werden. Seit Anfang März hat man das Verkaufsgebiet um den Raum Bruck an der Mur und Leoben erweitert. Die Zeitung erscheint monatlich, kostet wie schon erwähnt 20 Schilling, oder im Abonnement 240 Schilling für zwölf Ausgaben. Die redaktionellen Beiträge stammen von Betroffenen, also Langzeitarbeitslosen, Alkoholikern, „Sandlern", Ausländern und von Organisationen und Personen, die sich mit den Problemen der Randgruppen befassen. „Die Zeitschrift soll das Interesse einer breiten Leserschaft erwecken und sich als qualitätsvolles Produkt am Markt profilieren." So steht es als Zielformulierung in der Projektbeschreibung. Das entspricht ganz dem Ehrgeiz von Maria Laura Bono, die die Zeitung auch wirtschaftlich nüchtern betrachten kann. Noch bleibt von jedem Exemplar nur ein Schilling übrig, nur die Abonnenten bringen was, das sind aber noch zu wenige. Mit dem Inseratenaufkommen sieht es auch noch müde aus, Randgruppen sind eben keine Zielgruppen.

Das Megaphon erhält 100.000 Schilling Presseförderung (von Bund und Land), 100.000 Schilling hat die Stadt Graz für das laufende Jahr zugesagt, und das Arbeitsmarktservice zahlt zwei Drittel der Lohnkosten von Maria Laura Bono. Mit rund 1,7 Millionen hat man bei der Caritas das Projekt Megaphon für ein Jahr bud-getiert, vorerst ist die Zeitung also noch sehr auf Spenden angewiesen. Der Verkauf läßt Maria Laura Bono hoffen, die es auch versteht, sich für ihr Kind ins Zeug zu werfen. „Ich bin Marketing- und Managementverantwortliche in einer Person, und wenn Not am Mann ist, schreib ich auch noch." Jimi, der geschäftstüchtige Kolporteur, attestiert ihr, „a very nice Chefin" zu sein.

Jede europäische Metropole hat ihre Straßenzeitung. Gemäß einem alten Grazer Tourismusleitspruch -Graz hat's auch.

Die Autorin ist

selbständige Journalistin in Graz.

das Megaphon

Redaktion: Steyrergasse 147, 8010 Graz Chefredaktrice: Mag. Maria Laura Bono

Tel: 0316/81 23 99, Fax: 0316/81 23 58 Herausgeber: Diözese Graz-Seckau, Raimundgasse 16, 8010 Graz

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