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Kleine Kostbarkeiten

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Neben den verschiedenen Taschenbuchreihen erscheinen, kaum teurer im Preis, aber schmäler im Umfang und kostbarer ausgestattet, Jahr für Jahr neue Bände der Kleinbuchreihen, die einige angesehene Verlage in Abrundung ihres eigentlichen Verlagsprogramms herausgeben. Sie wachsen nicht so rasch wie die Taschenbuchreihen, sie bringen im Frühjahr und Herbst nur etwa, soviel neue Titel, wie ein Taschenbuchverlag im Monat. Und das ist gut so: man kann sie so leichter überblicken und bei ihnen verweilen, ladet doch beinahe jede einzelne Publikation zu eingehender Betrachtung oder Lektüre ein. Es ist fast immer Bekanntes und Bewährtes, was hier geboten wird, was von vornherein auf einen größeren Kreis von Interessenten rechnen darf. Wenn nun nach und nach auch die Künstler unseres Jahrhunderts, die expressionistischen Maler oder die modernen französischen Dichter in den kleinen, liebevoll gemachten Bändchen aufscheinen, kann man daran ablesen, wie das, was vor einem halben Jahrhundert oder gar nur drei Jahrzehnten noch umstritten war, heute schon zur „Klassik“, zum „Altbewährten“ gerechnet wird.

Die älteste dieser kleinen Geschenkbuchreihen ist die Inse1 - Bücherei. Sie ist vielen anderen zum Vorbild geworden, wie auch diese in ihrer Vielfalt, wieder befruchtend auf die weitere Gestaltung der Insel-Bücherei zurückgewirkt haben mögen. So erscheint jetzt — als Nr. 678 der Insel-Bücherei — ein Bändchen, das den „M alern der Brücke“ gewidmet ist und 19 Blätter von Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein und Karl Schmidt- Rottluff in schön gelungener, farbiger Faksimilewiedergabe erstmalig veröffentlicht. Es handelt sich um bunt, duftig und lustig hingepinselte Kartengrüße aus den Jahren 1909 bis 1921 an die bekannte deutsche Kunsthistorikerin Frau Dr. Rosa Schapire; das Nachwort schrieb Gerd Wietek, (Preis 3 DM). — Zum 80. Geburtstag des baltendeutschen Schriftstellers Otto von Taube erscheint in neuer Auflage seine Uebertragung der Sonette des großen Portugiesen Luiz de C a m o e s, dem Reinhold Schneider bekanntlich ein sehr schönes Buch gewidmet hat („Die Leiden des Camoes"). Vielleicht folgt auch eine Neuausgabe seiner „Lusiaden“? (Insel- Bücherei, Nr. 264, Preis 2.30 DM.)

Einige besonders glückliche Einfälle hatte der Verlag Langen-Müller in München für seine „Kleinen Geschenkbücher" (Preis 3.80 D-Mark). Da ist einmal ein Bändchen mit japanischen Sprichwörtern, „Das Affenrege n- mäntelche n“, übersetzt und herausgegeben von Werner Helwig. Was uns an den Aussprüchen der japanischen Volksseele so fasziniert, ist das unerhört bildhafte und konkrete Gewand, in das sie sich kleiden. Das japanische Sprichwort besteht eigentlich nur aus einem Bild, aus einer mit drei Strichen skizzierten Situation: der Uebersetzer mußte die rationale Richtung, in die sie zielen, in seiner Uebertragung andeuten, um sie auch uns verständlich zu machen. Das ist ihm ausgezeichnet gelungen, wie dieses eine Beispiel zeigen möge: „Der Verlegene möchte sich am liebsten die Hände wegreiben.“ — Von dem österreichischen, in Amerika lebenden Dichter Johannes U r z i d i 1, dessen Gesamtwerk der Verlag Langen-Müller in dankenswerter Weise betreut, liegt eine neue Erzählung vor: „Denkwürdigkeiten von Gibacht“, Erinnerungen an ein Dorf seiner Heimat in Böhmen. Bei dieser Gelegenheit wollen wir noch einmal auf Urzidils Stifter-Erzählung „Der Trauermantel“ hinweisen, die früher in der Reihe von Langen-Müllers „Kleinen Geschenkbüchern“ erschienen ist. — Besonders lieb ist mir die Konsequenz, mit der sich der Verlag der kleinen, am Rande liegenden Werke Knut Hamsuns annimmt und viele von ihnen zum ersten Male in deutscher Sprache pubFziert. Wer kannte bisher schön den Essayisten Hamsun? Wir lernen in ihm einen sehr scharfsinnigen, ironischen und vehementen Artikelschreiber kennen: „Drei Amerikaner“ (Essays über Ralph Waldo Emerson, Mark Twain und Walt Whitman. Band 83 der „Kleinen Geschenkbücher“). Der Freund seiner großen Bücher wird auch in diesen frühen Arbeiten den Atem des Epikers spüren; seine Erörterungen über Literatur sind so anschaulich geschrieben, wie nur irgendwelche Exkurse in seinen Erzählungen über Fragen des täglichen Lebens. Diese Bändchen haben, wie alles von Hamsun, in meiner Bibliothek einen Ehrenplatz.

„Die Kleinen Bücher der Arche“ zeigen eine gewisse Vorliebe für die heiteren Werke großer Schriftsteller. So legen sie jetzt von Heinrich Böll eine Sammlung von sieben heiteren Erzählungen vor: „Unberechenbare Gäste", mit vielen netten Zeichnungen von Wolf Barth (Band 218 19 der Reihe, Preis 3.80 DM). Von Friedrich Dürrenmatt sind zwei seiner köstlichen Hörspiele neu erschienen: „Das Unternehmen der Wega“ und „Abendstunde im Spätherbst“, mit Illustrationen von Rolf Lehmann (Band 264 bzw. 276 77 der „Kleinen Bücher", jeder Band 2.80 DM). „Das Unternehmen der Wega" ist eine utopische Geschichte, die Venus ist eine Art Strafkolonie der Erde geworden, auf die sowohl der Osten als auch der Westen als politische Großmächte mißliebige Leute schicken. Nun soll die Venus als Verbündete gewonnen werden. Dabei weiß Dürrenmatt einige sehr kluge, treffende und manche vielleicht schockierende Dinge über unsere heutige Situation zu sagen. In der „Abend stunde im Spätherbst" tritt uns ein Bestseller- und Nobelpreisträgerautor namens Korbes entgegen, eine Art Super-Hemingway, der alles, was er schreibt, vorher selbst erleben muß, auch die Morde . . . Aber die Gesellschaft mag das, und so geschieht ihm nichts.

Aeußerst reichhaltig ist das Produktionsprogramm der Piper-Bücherei. Unter den letzten 14 Bänden, die uns vorliegen und den Zeitraum eines Jahres umspannen, gehören vier der reinen Dichtung: „Im Labyrint h", eine Anthologie moderner französischer Lyrik nach dem Symbolismus, vorzüglich ausgewählt und übersetzt von dem Grazer Surrealisten Max Hölzer, bringt Texte von Valery, Eluard, Pėret, Prėvert, Saint-John Perse, Jouve, Michaux, Cocteau u. a. — In einer gekürzten Fassung wird Wystan Hugh Audens dramatisches Gedicht „Das Zeitalter der Angst“ — ganz ausgezeichnet übertragen von Kurt Heinrich Hansen— herausgebracht. Am Allerseelenabend 1944 treffen einander in einer New-Yorker Bar vier Menschen. Sie reden über Gott und die Welt, denken, träumen, und es wird wieder Morgen. Aus diesen Gesprächen, Gedanken, Träumen zeichnet, Auden ein Bild des Menschen in unserer Zeit. — „W i r leben in zwei Welte n“, Lieder und Romanzen des Lope de Vega, gibt Erwin Walter Palm heraus. Es ist interessant, diesen Band neben den Camoes-Uebertragungen von O. v. Taube zu betrachten. Manches bei Lope de Vega erscheint uns härter, knapper, zeitgemäßer. — Von Ingeborg Bachmann erschien das poetisch verschlüsselte Hörspiel „Der gute Gott von Manhattan“ der eigentlich ein böser Gott ist — nun im Druck. Wir würden gern auch die „Zikaden“ der gleichen Autorin in der Piper-Bücherei besitzen. — Neben den Dichtungen stehen zwei Prosabändchen: die Erzählung „Saint Estelle“ des vor allem als Dramatiker bei uns bekannten Franzosen Jean Giraudoux, mit reizvollen Zeichnungen von Gunter Böhmer, und die Erzählung des Amerikaners Henry James, „Das Tier im Dschungel“.

— Originell ist die Zusammenstellung des Bändchens „Schwabing — spinnete und erotische, enorme und neurotische Moritaten und Verse von Scharfrichtern und Schlawinern .. .“ von Oda Schaefer. (Alle Bände je 2.50 DM.)

Drei neue Bände sind der Graphik gewidmet: Zunächst die mit 24 Bildern illustrierte Lebensgeschichte des nun 82 Jahre alten Alfred Kubin, „Dämonen und Nachtgesicht e“, das zweite Kubin-Bändchen der Piper-Bücherei nach „Abendrot“. — Von Lovis Corinth erschien eine Auswahl seiner Graphik (48 Lithographien und Radierungen), die Remigius Netzer besorgte. Ein Picasso des Feuilletons ist der amerikanische Zeichner und Karikaturist Saul Steinberg, von dem Abdrücke seiner Finger und seiner Feder in einem entzückenden Bändchen vereinigt wurden. Man blättert es durch und ist Seite für Seite überrascht, wieviel die zeitgenössischen Karikaturisten, auch in Oesterreich — und oft gerade die besten — von ihm gestohlen oder zumindest gelernt haben I — Zwei besonders gelungene Bände gehören untergegangenen Kulturen. Ferdinand A n t o n stellt mit 52 Photos „Peru — Indianerkunst aus präkolum- bischer Zeit" vor. Wieder einmal mehr beweist dieses Bändchen, wie großartig sich gerade Plastiken in kleinformatigen Schwarzweißbildern wiedergeben lassen. — Einfach meisterlich ist es, wie Ernst Bush hör aus dem „Grab eines attischen

Mädchens' — richtiger: aus den Grabbeigaben, denn das Grab selbst ist uns nicht bekanntgeworden — das Bild einer Epoche (der frühen Parthenonzeit), ihrer Kultur, ihrer Religion, ihrer Menschen zu zeichnen versteht. Unterstützt von 48 in den Text gestellten Bildern, und an ihnen entwickelt er aus der Paraphrase des alten Themas „der Tod und das Mädchen“ eine anschauliche Deutung griechischer Kunst. (Bildbände 3 DM.)

Schließlich seien noch die letzten farbigen Bildbände (Preis 3.50 DM) hier angezeigt. Zwei Bändchen sind deutschen Aquarellisten unseres Jahrhunderts vorbehalten: August Macke und Lyonei Feininger. Neben je 16 hervorragend reproduzierten Farbtafeln finden wir ein Nachwort von Wolfgang Macke bzw. Alfred H e n t z e n. Aus der Sammlung Emil Preetorius in München hat dieser 16 „Persische Miniaturen" ausgewählt und mit einem kleinen Nachwort herausgegeben. Das sind köstliche Blätter, die da einigen iranischen Handschriften des 15. und 16. Jahrhunderts entnommen wurden: Jagdszenen und Reiterkampf, Feste, Drachen, Engel und Dämonen.

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