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In Rivalität mit TV-Konsum

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Wien kann im Prinzip auf eine blühende Kin-dertheaterszene blicken. Das Volkstheater und das Burgtheater spielen schon seit geraumer Zeit auch wieder für Kinder, und vor allem das Theater der Jugend kann in den letzten Jahren auf einen verdienten Höhenflug zurückblicken, den sich so manches Theater wünschen würde. Doch der Kindruck hat auch so manchen Haken. Einige der Gruppen treten selten, ein- bis zweimal im Jahr auf, andere fast ausschließlich in Schulen oder Kindergärten und so manches, was den Namen „Kindertheater” zur Schau stellt, ist nichts anderes als eine billige Kinderbelustigungsveranstaltung, deren Hersteller zwar das Wort „kindgerecht” im Munde führen, in Wahrheit aber „kassagerecht” meinen.

Das Stück einer Kindertheater-gruppe, die in den 70er Jahre angetreten war, emanzipatorisches Theater für Kinder zu machen, das deren Position stärkt, ihre Kritikfähigkeit schult und gesellschaftliche Verhältnisse als veränderbar zeigt, ist derzeit im Volkstheater zu sehen: „Max und Müh” (ab 5) von Volker Ludwig, dem Leiter des legendären Berliner Grips-Theaters. Sensibel und humorvoll wird eine Geschichte aus dem Alltag von zwei Geschwistern erzählt, vom Streit, bei dem die Fetzen fliegen, von ihrer entstehenden Freundschaft mit dem spielzeugpistolenschwingenden Peter, und von Eltern, die gelegentlich überfordert sind (mit Roland Sel-va, Julia Cencig, Alfred Schedl)

In dieser Tradition steht auch Roy Kifts „Stärker als Superman” (ab 6), das vom Theater der Jugend im Studio Moliere gezeigt wird. Sehr authentisch und humorvoll werden in dem Stück, das Klaus Rott als schwungvolles Musical inszenierte, die großen und kleinen Nöte von Mi-chi, einem jungen Rollstuhlfahrer, gezeigt, der mit Schwester und Freund einer bornierten behinderten-feindlichen Umwelt den Kampf ansagt. (Musik: Sigi Maron, Pepo Meia.)

Heute reicht es für das moderne Kindertheater nicht mehr, jene Themen aufzugreifen, die Kinder wirklich etwas angehen. Man muß, wie es Reinhard Urbach, I )irektor des Theaters der Jugend, formuliert, auch die formalen Aspekte veränderter Wahrnehmungsweisen berücksichtigen.

„Noch nie in der Geschichte gab es soviel Fiktion, die auf die Kinder eingedrungen ist. Das beeinflußt natürlich ihr Sehvermögen, ihre Erwartungshaltungen, ihre Ansprüche, die sie auch an das Theater stellen. Das

Fast unüberschaubar ist die Kindertheaterszene in Wien. Ein Ausflug zu den derzeit empfehlenswerten Produktionen gibt einen gewissen Überblick.

heißt nicht, daß man das Fernsehen nachmachen müßte, das heißt aber sehr wohl, daß man mit den formalen Gegebenheiten, die das Fernsehen bringt, ihnen Themen nahebringen und umgekehrt, diese auch thematisieren muß.” Ein solches Beispiel ist die Produktion des Theater der Jugend „Endlich allein”(ab 10), von Massud Rahnama und der bekannten Kinder- und Jugendautorin Lilly Ax-ster, in dem Wahrnehmung im Zusammenhang mit TV-Konsum amüsant und kritisch aufs Korn genommen wird, (Derzeit zeigen auch dietheater Künstlerhaus Axsters preisgekröntes Jugendstück „Gestohlenes Meer”)

Theater für Kinder war lange Zeit ein eher unbeachtetes Anhängsel der Theaterkunst. Für einen Teil gilt das noch immer, nämlich die kleineren, beziehungsweise Freien Gruppen und jene, die Vorschulkinder ansprechen wollen. Ihnen gerecht zu werden, wird auch durch die kleine Auswahl hier nicht möglich sein.

Als Renner der Saison hat sich, allen voran, das Stück für die ganz Kleinen (ab 3), „Die Raupe Nimmersatt” von der Gruppe Pipifax, nach dem berühmten Buch von Eric Carle, im Kabarett Niedermair entpuppt, die sich durch sprechende Apfel, Zwetschken und anderes fressend, mitreißend überzeugendes Bühnenleben entfaltet.

Betrachtet man das Angebot in Wien allgemein, hat sich als vorrangiges Medium für kleinere Kinder das Puppentheater bewährt, wo es neben dem traditionellen Kasperltheater durchaus auch noch ein ernstzunehmendes Figurentheater'mit unterschiedlichsten Ausdrucksformen gibt. So zeigt das Puppentheater Lilarum derzeit wieder das Stück „Wer wohnt denn da im Schneckenhaus” (ab 3). Es handelt von dem kleinen (Plüsch-)We-sen Lollobien, das sein Schneckenhaus verliert, aber so auch die Welt kennenlernt. Einfach in der Handlung, aber farbenfroh und mit unterschiedlichsten Stabpuppenlebewesen von Wiese und Feld konzentriert sich dieses Stück vor allem auf optische, malerische Perfektion. Die an der Waldorf-Pädagogik orientierte Märchenbühne Der Apfelbaum wiederum widmet sich dem die Entwicklung der Kinder fördernden Märchenspiel mit Marionetten, wie zur Zeit in „Schnee-weißchen und Rosenrot” (ab 4)

Eine andere Bühne, die sich als Puppentheater einen Namen gemacht hat, ist das Schönbrunner

Schlqß-Marionettentheater, wo man zur Zeit das verrückte Musical „Ritter Kamenbert” für das jüngere Publikum empfehlen kann, ein fröhlicher Märchenspaß mit witzigen Kostümen und ganz passablen Ohrwürmern.

Nicht zu vergessen im Angebot für die Kleinen ist auch das „IchDuWir”, ein Kindertheater in dem immer, egal ob Schauspiel oder Figurenspiel, immer interaktives Theater stattfindet, bei dem das Publikum beteiligt ist. Für den März zeigt man hier das „Schattenspiel”, eine Kombination aus Schatten- und Figurentheater, in dem eine Marionette und ein Schatten aufeinandertreffen und erst herausfinden müssen, daß sie zueinander gehören.

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