Ein teuflischer Plan: Reinhard Kaiser-Mühleckers Roman "Brennende Felder"
Mehrdeutige Figuren und Spannung: Mit dem Roman "Brennende Felder" setzt Reinhard Kaiser-Mühlecker gekonnt seine Familiensaga fort.
Mehrdeutige Figuren und Spannung: Mit dem Roman "Brennende Felder" setzt Reinhard Kaiser-Mühlecker gekonnt seine Familiensaga fort.
Seine Oberösterreich-Saga um die Familie Fischer begann Reinhard Kaiser-Mühlecker 2016 mit „Fremde Seele, dunkler Wald“. Im Zentrum standen die beiden fünfzehn Jahre auseinander liegenden und auch sonst ungleichen Brüder Jakob und Alexander. Jakob, Ende der 1990er geboren, ist wortkarg, zurückhaltend, menschenscheu. Obschon noch minderjährig, bewirtschaftete er den immer mehr dahinsiechenden Bauernhof seiner Eltern mit Eifer. Die im Haus lebende Großmutter saß auf einem Erbe, das sie nicht abgeben wollte, weil sie befürchtete, dass Jakobs Vater es durchbringen würde, so wie er immer alles in windigen Geschäften durchgebracht hatte. Alexander, der Ältere, verließ den Hof früh.
In „Wilderer“ (2022) rückt das Leben Jakobs in den Fokus. Mit dem ihm zugesprochenen Erbe und Katja, einer Künstlerin mit Geschäftssinn, gelang es ihm, den landwirtschaftlichen Betrieb profitabel und überregional als Vorzeigeunternehmen bekannt zu machen. Aber der Erfolg war nur kurz. Die neidische Schwester Luisa, die sich gerade von ihrem Mann getrennt hatte und mit Sohn Eric zurück auf den Hof kam, störte die Idylle. Als Jakob bei der Abrichtung des Jagdhundes scheiterte, nannte sie ihn öffentlich einen Versager. Daraufhin beschloss Jakob: "Das alte Leben musste beendet werden, und das hier war das Letzte, was noch zu tun war." In einer brutalen Szene, die in allen Nuancen wiedergegeben wird, tötete Jakob den Hund. Aber Luisa hatte den Vorfall gefilmt und lancierte die Veröffentlichung des Videos. Jakob wird zur persona non grata, er "fiel und fiel und fiel. Er stand still, aber er fiel immer tiefer in einen schwarzen lichtlosen Trichter."
Perspektivwechsel
Und nun erscheint der Roman „Brennende Felder“, nicht direkt eine Fortsetzung, eher ein Weiterführen. Kenntnisse der vorherigen Bücher sind nicht zwingend erforderlich. Der Autor nimmt wieder einen Perspektivwechsel vor. Erzählt wird aus der Sicht von Luisa. Ihre unveränderte Verachtung Jakob gegenüber kontrastiert mit der Zuneigung zu Alexander, der seit ihrer Kindheit ein Verbündeter ist. Der Roman spielt in der unmittelbaren Gegenwart, vielleicht sogar in einer nahen Zukunft. Jakobs Fall setzt sich fort, die Ehe mit der Künstlerin wurde geschieden, Jakob arbeitet weiter auf dem Hof, lebt dort wie eine Pflanze, wie es einmal heißt.
Mit fünfzehn erfuhr Luisa im Streit mit ihrer Mutter, dass der von ihr heimlich vergötterte Bert, den alle einst Robert nannten, nicht ihr leiblicher Vater ist. Sie verließ das Elternhaus, stürzte sich in zwei Ehen, bekam jeweils ein Kind. Es heißt, die Männer wären irgendwann gewalttätig geworden, psychisch und bisweilen auch physisch. Es folgten Scheidungen, Unterhaltsärger, Trennungen. Die beiden Kinder, eines in Dänemark, eines in Schweden, sind an der Schwelle zur Pubertät und leben bei ihren Vätern.
Zwanzig Jahre später stand Bert vor Luisas Wohnung in Hamburg-Eppendorf und war bereit für die Beziehung, die sie als Möglichkeit längst vergessen hatte. Sie ließ sich nach anfänglichem Zögern darauf ein. Als bei Bert das Heimweh einsetzte, gab sie nach. Man ging zurück nach Österreich, kaufte sich ein in die Jahre gekommenes Haus, nannte es euphemistisch "Villa". Der Reiz der Liebe verflüchtigte sich, Bert neigte zum Eigenbrötlertum. Sie erfuhr: Er besuchte nachts Höfe, brach dort ein, stahl Gegenstände, aus einem diffusen Wiedergutmachungsaffekt heraus, denn alle hatten doch "Dreck am Stecken" gehabt während der Hitlerzeit.
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