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"Man kann sehen, wie Rubens nicht einfach abzeichnete, sondern wie er die Vorbilder in sich aufnahm, um dann über sie hinauszugehen und sie mit dem, was er schon in sich trug, zu vereinen."

Kennen Sie Rubens' "Wunder des Hl. Ignatius von Loyola"? Viele werden hier wohl mit "Ja" antworten. Aber ob sie je den Besessenen am unteren Bildrand mit der antiken Laokoon-Gruppe aus den Vatikanischen Museen in Verbindung brachten? Oder Rubens' Heiligen Christophorus mit dem Herkules Farnese?

In der aktuellen Rubens-Ausstellung des Kunsthistorischen Museums geht es nicht so sehr um weibliche Kurven und perlmuttfarbene, schimmernde Haut, sondern vielmehr um Vorbilder und Arbeitsweisen des Barockmalers. Man wollte, so Kurator Stefan Weppelmann, den "Blick ganz auf die Kunstwerke selbst richten und nach Mechanismen, Quellen und Strategien ihrer Entstehung fragen. Nicht den vollendeten Barock möchten wir zeigen, sondern den Entstehungsprozess der Werke."

Rubens hat sich beispielsweise Zeit seines Lebens mit der Antike beschäftigt, vor allem, als er in Italien antike Skulpturen im Original studieren konnte. Er fertigte nicht nur zahlreiche Zeichnungen von diesen an, sondern wählte dafür auch unterschiedliche und unerwartete Betrachterpositionen. "Rubens ging vor dem geistigen Auge um die Skulptur herum und malte die Figuren von allen Seiten", so Kurator Weppelmann. "Er hat wirklich mit der Feder gedacht." Erst wenn er sich an diesen Vorstufen abgearbeitet hatte, war Rubens in der Lage, seine Gemälde so zu kreieren, wie wir sie heute kennen.

Rubens' "Venus Frigida" kann dementsprechend in der Schau mit der Skulptur einer römischen Göttin verglichen werden, für die er -wie so oft - im Gemälde nicht den offensichtlichen, sondern einen eigenwilligen Blickwinkel wählte. Der Herkules Farnese wiederum wird Rubens zum Vorbild für seinen Heiligen Christophorus, der das Jesuskind auf den Schultern trägt. Die indirekte Ironie dabei: ein antiker Held muss sich unter dem Gewicht Christi beugen. Dass Rubens andererseits den von Cupido gezähmten Kentaur als Modell für seinen "Ecce homo" heranzog, mögen manche dann doch etwas dreist finden.

Copy-and-paste-Verfahren

Aber nicht nur monumentale antike Skulpturen, auch kleine Stiche seiner Zeit wurden Rubens zum Vorbild. So zeichnete er aus der Bibel von Tobias Stimmer eine Eva ab, die bei Rubens aber viel plastischer wirkt und die er förmlich zu bewegen beginnt. Aus einer Schlachtenszene von Barthel Beham schnitt er im wahrsten Sinne des Wortes einzelne Figuren aus und setzte diese collageartig neu zusammen -was in der Gegenüberstellung dem Besucher ermöglicht, Rubens regelrecht beim Komponieren seiner Bilder zuzusehen. "Dieses copy-und-paste-Verfahren nutzte er als Fingerübung, um ein figuratives Gedächtnis aufzubauen", beschreibt Weppelmann.

Zahlreiche Vorzeichnungen Rubens' lassen auch nachvollziehen, wie er die Anatomie einzelner Muskeln studierte, um sie dann in großen Gemälden umzusetzen. "Es war ein nahezu manisches Beschäftigen mit dem menschlichen Körper", so Weppelmann.

Große Künstler seiner Zeit dienten Rubens ebenfalls als Vorbilder. Caravaggios Grablegung war ein Gemälde, das er genau studierte, in seiner Version aber stellt Rubens sich vor, wie es wäre, wenn Jesus den Tragenden entgleiten würde und hinabfiele, was dem Gemälde eine besondere Dynamik verleiht. Auch diese Arbeit steht stellvertretend für Rubens Umgang mit Vorbildern - sie sind erkennbar, aber derart weiter gedacht, dass von Kopien keine Rede mehr sein kann.

Es sind die Gegenüberstellungen, die diese Ausstellung -die anschließend ins Frankfurter Städel Museum weiter geht und Leihgaben aus der National Gallery in London, dem Getty Museum in Los Angeles, dem Prado und dem Louvre vereint -so besonders interessant machen. Man kann sehen, wie Rubens nicht einfach abzeichnete, sondern wie er die Vorbilder, seien es antike Skulpturen oder solche aus der Renaissance, seien es kleine Stiche oder Gemälde von Tizian und Tintoretto, wahrlich in sich aufnahm, um dann über sie hinauszugehen und sie mit dem, was er schon in sich trug, zu vereinen. Es ist eine Ausstellung, bei der es ums Schauen geht, nicht um Daten und Fakten, sondern um das Wirken-Lassen, Vergleichen, das Hineindenken in die Arbeitsweise von Rubens -und auch um ein Einlassen auf Unerwartetes.

Rubens: Kraft der Verwandlung bis 21. Jänner 2018 Di-So 10-18 Uhr, Do bis 21 Uhr Kunsthistorisches Museum Wien, www.khm.at

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