50.000-jährige Erfolgsgeschichte

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Von einem sehr langfristigen historischen Standpunkt aus betrachtet sind Wanderungsbewegungen weder bedrohlich noch unerwünscht, sondern die Motoren der menschlichen Entwicklungsgeschichte. Das diesbezügliche Hauptereignis setzten jene Gruppen von Hominiden, die vor etwa 50.000 Jahren über das Rote Meer Richtung Asien vorstießen und damit die weltweite Verbreitung einer Gattung initiierten, der die Art Homo sapiens entsprang.

Diese Migrationsströme waren auch nicht immer mit Krieg und Verdrängung verbunden, sondern spielten sich oft in einer friedlichen Koexistenz ab. Vor 3800 Jahren beispielsweise, so erzählen babylonische Schrifttafeln, seien Uruker ins Land der Babylonier gekommen und aufgenommen worden wie Brüder, samt ihren Priestern und alten Göttern.

Und wer gar die historische Lupe anwenden will, wird bis zum Jahr 1924 keinerlei Visumzwang für Einwanderer in den USA entdecken. Im Gegenteil, der wandernde Mensch wurde überall gewünscht und herbeigesehnt. Brasilien versorgte seine Einwanderer mit freiem Grund und Boden. Argentinien bezahlte gar die Kosten der Übersiedelung, die US-Baumwollbarone dagegen heuerten Sklaventreiber an, um zwölf Millionen Afrikaner aus ihrer Heimat zu entführen. Selbst die erfolgreichsten Weltreligionen nahmen Migranten gerne auf: „Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten“, heißt es etwa im Alten Testament.

Dieser alten Wandertradition entsprechend schifften sich Millionen Europäer nach den USA und Südamerika ein. Irland verlor auf diese Weise gleich 14 Prozent seiner Population an die neue Welt, Schweden und England sieben Prozent – und nur wenige der Auswanderer plagte das Heimweh. Lediglich die Italiener kehrten zu 56 Prozent aus Argentinien zurück, wurden wegen ihrer Rückkehr-Tendenzen mit dem wenig schmeichelhaften Beinamen „Golondrinas“ bedacht, ähnlich erging es den heimwärts sich wendenden Bulgaren und Serben, von denen 70 Prozent den USA wieder den Rücken kehrten. Der Migrationsbedarf wandelte sich erst mit dem Ölschock der 70er Jahre in eine Migrationsphobie. Die Politik errichtete Hürden: Gesetzliche, finanzielle, physische – und sie tut das bis heute. Kann sie damit ein Erfolgsrezept seit dem Beginn der Geschichte eindämmen? Nämlich dass man dorthin geht, wo es besser und einfacher zu leben ist, zumal wenn im Heimatland Dürre, Hunger und Krise herrschen? Die UNO-Studie weist klar nach, dass seit 50 Jahren konstant drei Prozent der Weltbevölkerung ihr Zuhause verlassen, was angesichts der wirtschaftlichen und politischen Umstände in vielen Nationen der südlichen Halbkugel noch wenig erscheint.

Das ewige Vorbild Schweden

Die Schweden, die einst so viele Millionen an die USA verloren, versuchen neue Antworten auf Europas Probleme mit der Migration zu finden. Sie haben gemeinsam mit ihren Gewerkschaften ein integriertes Modell für die Zuwanderung entwickelt, das auch dürftig ausgebildete Menschen großzügig ins Land lässt, wenn sie der Arbeitsmarkt braucht. Wer ins Land kommt, hat das Recht, zwei Jahre zu bleiben; wird er vier Jahre durchgehend beschäftigt, hat er ein dauerhaftes Bleiberecht. Angesichts des Dramas um die Familie Zogay in Österreich ist das ein nachgerade revolutionärer Ansatz – zumal in einer historischen Wirtschaftskrise.

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