Im Jahr 1985 gab die Katholische Sozialakademie Österreichs mit dem Band "Grundeinkommen ohne Arbeit" den Startschuss für eine Utopie, die längst zu einer realpolitischen Option geworden ist. Lieselotte Wohlgenannt, damals Mitautorin, engagiert sich weiter im "Netzwerk Grundeinkommen" ( www.grundeinkommen.at).
Die Furche: Vor 25 Jahren hat man die Idee eines arbeitslosen Grundeinkommens ins linke Eck gestellt oder als utopische Spinnerei abgetan. Sind Sie stolz, dass das Thema heute in aller Munde ist?
Lieselotte Wohlgenannt: Natürlich freue ich mich, dass diese Diskussion sich nicht hat abwürgen lassen.
Die Furche: In Österreich wird das Modell der bedarfsorientierten Grundsicherung favorisiert. Aber Sie treten für das bedingungslose Grundeinkommen ein.
Wohlgenannt: Die bedarfsorientierte Grundsicherung zeigt eine Verbesserung gegenüber der Sozialhilfe oder dem Arbeitslosengeld. Das ist natürlich zu befürworten. Weniger günstig ist, dass dieses Modell gerade unter dem Druck der Realität immer restriktiver wird. Es gibt viel Druck, sich am Arbeitsmarkt bereitzustellen. Wir wissen aber, dass manche Menschen dazu einfach nicht fähig sind und dass es sehr viele wichtige Arbeiten gibt, die nicht entlohnt werden. Von daher könnte ein Grundeinkommen die Freiheit stiften, auch Dinge zu tun, die notwendig sind, die aber nicht gehen, wenn man immer dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen muss.
Die Furche: Die Diskussion ums Grundeinkommen wird nicht nur auf der linken Seite geführt, sondern auch von Wirtschaftsliberalen.
Wohlgenannt: Die Grundeinkommensdiskussion ist in den letzten ein, zwei Jahren sehr breit geworden - von den extrem Neoliberalen bis zu denen links vom Kommunismus. Da gibt es auch die Versuche einer sehr weitgehenden wirtschaftlichen Liberalisierung und von daher einer Mindestsicherung für die Leute, die man eigentlich nicht braucht. Es geht mir um ein staatliches Grundeinkommen, das den jetzigen Sozialstaat nicht einfach ersetzt, sondern ergänzt und weiterentwickelt.
Siehe auch Seite 18 dieser FURCHE.
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