Virtuelle Schnäppchenjagd

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Nach dem Erfolg in den USA boomen Online-Versteigerungen auch im deutschsprachigen Raum. Preisbewusste können so gut wie alles, von Computer-Sets über Flugtickets bis hin zu ausgefallenem Flohmarktramsch, zu unglaublich günstigen Preisen kaufen.

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Nach dem Erfolg in den USA boomen Online-Versteigerungen auch im deutschsprachigen Raum. Preisbewusste können so gut wie alles, von Computer-Sets über Flugtickets bis hin zu ausgefallenem Flohmarktramsch, zu unglaublich günstigen Preisen kaufen.

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Erst schauen die Surfer eine Weile zu, was andere kaufen und verkaufen, dann packt sie der Mut zum Mausklick auf das "Biete"-Feld. Das Fieber steigert sich mit den Geboten, immer höher, immer mehr. Alltag bei www.spox.com, dem ersten österreichischen Online-Auktionshaus. Schnäppchenjäger können dort beispielsweise ein nagelneues Notebook, eine Italien-Reise für zwei Personen, ein exklusives Cognac-Fläschchen aus feinem Kristall oder andere Gustostückerl ersteigern.

"Unsere Online-Auktionen sind der absolute Hammer. Obwohl wir kaum Werbung machen, verzeichnen wir pro Monat bis zu 80.000 Zugriffe auf unsere Homepage", freut sich Karin Grabner von der Wiener Firma IT-Development, welche die Netz-Auktionen durchführt. "Bei uns bekommt man die meisten Waren um 20 bis 30 Prozent billiger als im Geschäft." So wurde kürzlich ein leistungsfähiges Computer-Set, das normalerweise 35.000 Schilling gekostet hätte, um 19.000 Schilling (um nur 2.000 Schilling teurer als der Ausrufpreis) verkauft.

Aufgrund des überwältigenden Erfolgs baut IT-Development die Homepage laufend aus. "In der Anfangsphase haben wir nur nagelneue Produkte angeboten, die wir direkt von den Herstellern bekommen haben. Seit Anfang August besteht auch für Privatpersonen die Möglichkeit, gegen eine kleine Gebühr gebrauchte Waren wie auf einem Flohmarkt zur Versteigerung freizugeben", sagt Grabner. "Mit diesem zusätzlichen Service wollen wir das größte Netz-Auktionshaus Österreichs werden."

Voraussetzung für die Teilnahme an der Web-Versteigerung ist eine einmalige Registrierung. Interessierte müssen ein Anmeldeformular mit Namen, Wohnadresse und Telefonnummer ausfüllen. Wenig später erhalten sie per e-mail eine Mitgliedsnummer und ein Passwort. Damit gelangen sie in die virtuelle Versteigerungshalle. "Die Anmeldung ist kostenlos, aber unbedingt erforderlich. Nur so können wir garantieren, dass die Auktionen seriös ablaufen und sich niemand aus Jux und Tollerei beteiligt," betont Grabner. Ein einmal per e-mail abgesendetes Gebot ist verbindlich und kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die Web-Seite wird laufend mit dem jeweiligen Höchstgebot aktualisiert. Nach einer Woche erhält der Meistbieter den Zuschlag.

Ein Blick in die USA zeigt, wie sehr das Geschäft mit Sammlerwut, Spieltrieb und Groschenjäger boomt. Nach einer Studie des amerikanischen Marktforschungsinstituts Jupiter Communications werden sich bis zum Jahr 2002 allein in den USA rund 6,5 Millionen Surfer regelmäßig an den Schnäppchen-Rallyes beteiligen. Geschätzter Umsatz: 52 Milliarden US-Dollar. Der Grund für den Erfolg? Versteigerungen sind spannender als herkömmliche Web-Einkäufe. Die Teilnehmer fragen sich: Bekomme ich den Zuschlag oder schnappt mir ein anderer den Artikel weg? Der Unterhaltungswert und der Event-Charakter sorgen dafür, dass die Surfer relativ lange auf den Auktionsseiten verharren, wodurch sich diese auch als Werbeträger eignen.

50 Millionen Verkäufe Das erste und weltweit größte virtuelle Auktionshaus ist eBay (www.ebay.com oder www.ebay.de). Gegründet wurde es von Pierre Omidyar, Computerprogrammierer aus Paris, der in den späten sechziger Jahren in die USA auswanderte. Angefangen haben die Versteigerungen als witziges Freizeitvergnügen. Omidyars Freundin Pamela sammelte Petzis, jene Plastikfiguren, die kleine Traubenzucker ausspucken. Da sie in ihrer Heimatstadt San Jose keine Petzi-Fans zum Tauschen fand, gestaltete Omidyar eine eigene Internet-Homepage und ließ sie bei den Suchmaschinen registrieren. Innerhalb der nächsten Monate tummelten sich bereits Hunderte Surfer auf der Web-Seite. Prompt kam Omidyar die Idee, auch andere Produkte - gegen eine kleine Gebühr - anzubieten. So war eine der lukrativsten Goldadern des Internets gelegt. Die Bilanz nach vier Jahren: eBay hat inzwischen 5,6 Millionen registrierte Kunden weltweit.

Täglich werden bei eBay bis zu 70.000 neue Waren angeboten: Von Briefmarken und Münzen, über Puppen und Küchengeräte bis hin zu Autos können Surfer so gut wie alles erwerben, sogar eine alte Raumfähre aus der ehemaligen Sowjetunion war schon dabei. Auf der Homepage sind alle Artikel in mehr als hundert Kategorien geordnet. Sammler von Salz- und Pfefferstreuern können sich beispielsweise über 5.000 verschiedene Produkte freuen. Die Preise fangen bei weniger als einem Dollar an, nach oben hin gibt es kein Limit. eBay tritt immer nur als Vermittler auf und bietet keine eigenen Waren an. Jeder Verkäufer zahlt dafür bis zu fünf Prozent vom Verkaufsgewinn als Vermittlungsgebühr.

Der Wettbewerb wird immer härter. Der Erfolg von eBay zieht Konkurrenten magisch an, die mitverdienen wollen. Allein in den USA sind bereits Hunderte private und kommerzielle Auktionshäuser im Netz präsent. Sogar der klassische britische Auktionsgigant Sothebys (www.sothebys.com) hat bereits 25 Millionen US-Dollar für seinen Online-Auftritt investiert. Und auch die großen Internet-Suchmaschinen wie Yahoo (www.yahoo.de) und Excite (www.excite.com) haben mit Versteigerungen begonnen.

Trotz der globalen Natur des Internets macht es für Österreicher und Deutsche wenig Sinn, Waren aus den USA zu bestellen, da die Lieferung auf dem Postweg bis zu einem Monat dauert. 1998 startete daher der Verlagsriese "Gruner und Jahr" mit dem ersten deutschsprachigen Web-Auktionshaus namens Ricardo (www.ricardo.de). Dort können Surfer nur nagelneue Produkte, die direkt vom Hersteller stammen, erwerben. Auf der Homepage gibt es einen umfangreichen Auktionskalender mit einem Überblick über alle Gegenstände, die demnächst zu erwerben sind. Ricardo bietet täglich moderierte Liveauktionen, bei denen Schnelligkeit gefragt ist. Spätestens in einer Viertelstunde erhält der Meistbieter den Zuschlag.

Spektakuläre Preise Gleich zwei Monate nach Ricardo, im Oktober 1998, ging das aus England stammende Auktionshaus Quixell mit einem deutschsprachigen Ableger (www.qxl.de) online. Das umfangreiche Sortiment reicht von Haushalts- und Elektrogeräten über PC-Zubehör bis hin zu Reisen. Versteigert wird meist im 24-Stunden-Rhythmus, beginnend jeweils um 14 und 22 Uhr. Seit kurzem wird der QXL-Quickie veranstaltet - eine Auktion, die nur eine Stunde dauert.

Im Konzert der großen Netz-Auktionshäuser versucht sich der Grazer Internet-Provider "store communication" mit der Homepage www.schatztruhe.com zu behaupten. "Wir sind davon überzeugt, dass Online-Versteigerungen auch in Österreich enormes Zukunftspotential haben", erklärt Projektmanager Robert Paier. Der bislang spektakulärste Deal der Grazer war der Verkauf eines nagelneuen Fords. "Regulär hätte das Auto 150.000 Schilling gekostet. Bei uns lag der Rufpreis bei 70.000 Schilling. Um 112.000 Schilling fand der Wagen schließlich einen Besitzer", erzählt Paier.

Teure Autos bleiben bei der Schatztruhe aber eine Ausnahme. "Wir orientieren uns am Konzept von eBay und wollen in erster Linie Privat-to-Privat-Auktionen durchführen. Egal, ob man die Briefmarkensammlung, altes Porzellan, HiFi-Geräte oder etwas anderes loswerden will, bei uns holt man das meiste Geld heraus", so Paier. Für Produkte, die einen Bestpreis unter 200 D-Mark erzielen, wird fünf Prozent Vermittlungsgebühr verlangt. "Auch wenn wir eine österreichische Firma sind, ist unsere Währung die Deutsche Mark. Denn derzeit stammen 58 Prozent unserer Teilnehmer aus Deutschland. Nur etwa 30 Prozent kommen aus Österreich."

Die Schatztruhe versteht sich in erster Linie als öffentlicher Auktionsmarkt, wo jeder Surfer Waren anbieten kann. Werden im Inserat keine Angaben über das Porto gemacht, versteht sich der Preis als "all inklusive" für den Käufer.

Nach Ende der Versteigerung bekommen Meistbieter und Verkäufer von der Schatztruhe die E-Mail-Adresse des jeweils anderen, um die genauen Zahlungsmodalitäten und den Versand zu vereinbaren. "Für die weitere Abwicklung sind die Kunden verantwortlich. Die Schatztruhe übernimmt keine Garantie für die Qualität, die Sicherheit oder die Legalität der Artikel", betont Paier. Bisher sei es erst in wenigen Fällen zu Streitereien gekommen.

Wer also gewisse Vorsichtsmaßnahmen einhält (siehe Kasten), hat gute Chancen, bei Online-Versteigerungen exklusive Gustostückerl zu unglaublich günstigen Preisen zu bekommen. Die virtuelle Schnäppchenjagd mit dem Mausklick auf das "Biete"-Feld kann beginnen.

ZUM THEMA Konsumentenschutz Die Arbeiterkammer hat Online-Auktionshäuser getestet. Hier die Tipps der Konsumentenschützer: * Im Streitfall wenden Sie sich an den österreichischen Internetombudsmann (www.ombudsmann.at).

* Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Preise.

* Seien Sie beim Tippen vorsichtig. Eine Korrektur ist nicht immer möglich und ein irrtümlicher Mausklick kann zur Falle werden.

* Achten Sie auf billige Werbegags, wie zum Beispiel "Ein Auto für 100 Schilling". Der Anbieter muss Höchstgebote, die unter seinen Preisvorstellungen liegen, nicht annehmen. Die Zeit- und Onlinekosten tragen die geneppten Bieter.

* Fragen Sie per E-Mail den Verkäufer, ob er ein Mindestangebot festgelegt hat.

* Prüfen Sie - wenn möglich - die Identität des Verkäufers.

* Im Zweifelsfall ersteigern Sie die Waren direkt vom Auktionsanbieter.

VORISCHT FALLE!

Wer bei Online-Versteigerungen mitmacht, sollte folgendes beachten: 1. Achtung bei Kreditkarten Sie können die ersteigerte Ware meist problemlos per Kreditkarte bezahlen. Achten Sie aber darauf, dass die Daten nur verschlüsselt im Netz weitergegeben werden. Die Kreditkartenriesen Visa und Mastercard (Eurocard) haben das Verschlüsselungssystem SET entwickelt. Doch noch nicht alle virtuellen Auktionshäuser setzen SET ein.

2. Vorsicht vor Abzockern Jeder Teilnehmer einer Versteigerung kann bei der Registrierung falsche Angaben machen. Die Auktionshäuser überprüfen wegen des großen administrativen Aufwands die Identität ihrer Mitglieder nicht. Es ist daher möglich, dass sich der Anbieter eines Gegenstands noch einmal unter einem falschen Namen registriert und die Versteigerung gezielt vorwärtstreibt. Kurz vor Auktionsende zieht sich der falsche Teilnehmer zurück. Den Zuschlag erhält dann der Zweitbieter. Überlegen Sie daher genau, welches Produkt Sie zu welchem Preis kaufen wollen.

3. Komplizierte Schadenersatzansprüche Auktionshäuser übernehmen keine Haftung. Der ersteigerte Artikel wird entweder im Voraus bezahlt oder per Nachnahme geliefert. Seien Sie daher beim Kauf von gebrauchten Waren vorsichtig. Denn über spätere Reklamationen können Sie nur mit dem Anbieter verhandeln.

Einige Auktionshäuser haben daher ein Mitgliederbeurteilungssystem gestartet. Dabei können Kunden bewerten, was sie von anderen Mitgliedern als Geschäftspartner halten und wie es um deren Seriosität bestellt ist. Wer etwa unpünktlich zahlt, schlechte Ware liefert oder freche e-mails schreibt, bekommt als Quittung einen Minuspunkt. Vorbildliche Teilnehmer werden mit Pluspunkten belohnt.

ÖSTERREICHISCHE WEB-SEITEN Spox (www.spox.com): Vom Power-Computer bis zum exklusiven Cognac-Fläschen sind zahlreiche Gustostückerl zu haben. Seit Anfang August haben auch Privatpersonen die Möglichkeit, gegen eine kleine Gebühr gebrauchte Waren wie auf einem Flohmarkt zur Versteigerung freizugeben Schatztruhe (www.schatztruhe.com): Orientiert sich am Konzept von eBay und bietet in erster Linie Privat-to-Privat-Auktionen an. Die Kategorien reichen von Autos über Antiquitäten und Briefmarken bis hin zu Computern. Bei Produkten, die einen Bestpreis unter 200 D-Mark erzielen, fallen fünf Prozent Vermittlungsgebühr an.

Lufthansa (www.lufthansa.at): Die deutsche Fluglinie läßt auf ihrer Österreich-Homepage immer wieder Flüge versteigern. Bezahlt wird per Kreditkarte. Rücktritt ist ausgeschlossen, bei Nichtantritt werden keine Kosten ersetzt. Nicht inkludiert sind im Preis die Flughafentaxen.

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