USA: Apokalypse im Verzug
Bei den US-Zwischenwahlen haben die Demokraten überrascht und den Senat gehalten. Doch die Polarisierung bleibt – und offenbart religionspolitische Bruchlinien mit Endzeitcharakter.
Bei den US-Zwischenwahlen haben die Demokraten überrascht und den Senat gehalten. Doch die Polarisierung bleibt – und offenbart religionspolitische Bruchlinien mit Endzeitcharakter.
Gespannt hatten nationale und internationale Beobachter die US-amerikanischen Midterm-Wahlen am 8. November erwartet. Begleitet wurden die Wahlkämpfe in den Vereinigten Staaten in diesem Jahr von zahlreichen Protesten, leuchtend inszenierten Auftritten der jeweiligen Kandidaten sowie strategisch platzierten Wortmeldungen, mit denen die Menschen zur Wahl motiviert werden sollten. Die Analyse dieser Diskurse fällt deutlich aus: Der Ton wird zunehmend rauer, die Fronten sind weiter verhärtet, die verwendeten Narrative scheinen scharf wie nie.
Beide Großparteien in den USA schickten sich an, diese Wahl als eine „Endzeit“-Entscheidung zu stilisieren, die Dramatik ihrer Worte erinnerte wohl nicht zufälligerweise an apokalyptische Vorhersagen aus dem Fundus religiöser Sprache. Dass die konservativen Kreise in den USA solche Untergangsszenarien zeichnen, wenn es – ihrer Meinung nach – um die Bedrohung von Amerikas „göttlicher Erwählung“ geht, ist nicht neu. Dieses Mal jedoch stimmten ihre demokratischen Kontrahenten in die Tonart mit ein. Auch wenn es vonseiten der liberalen Partei weniger um eine religiös verortete Form von Enderzählungen ging, so handelten sie jedoch von etwas nicht weniger Sakralem: der amerikanische Demokratie. Nichts Geringeres als die politische und gesellschaftliche Ordnung der USA stünden nämlich auf dem Spiel, sollten die republikanischen Kräfte die Oberhand erhalten. Beide Narrative spielen mit einem Modus des Heiligen, mit einer zunehmenden Sakralisierung des politischen Diskurses, was diese Wahl in den Augen vieler tatsächlich zu so etwas wie einer finalen und irreversiblen Weichenstellung mutieren ließ.
Kapitol-Sturm als Schock
Es waren letztlich zwei Ereignisse, die beinahe gespenstisch über den diesjährigen Midterms hingen und dazu führten, dass wieder einmal Donald Trump im Fokus des eigentlichen Interesses stand: Einerseits hatte sich der Sturm auf das Kapitol am Dreikönigstag 2021 tief in das politische Gedächtnis der USA eingebrannt. Dieser Angriff auf das zentrale Gebäude der US-amerikanischen Demokratie durch Trump-Anhänger, die dessen Niederlage bei den letzten Präsidentschaftswahlen nicht anerkennen wollten, sorgte für einen Schockzustand im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“, von dem man sich bis heute nicht vollends erholen konnte.
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