Tiertransporte - ein krankes System
Neuseeland beendet das quälende Verfrachten von Lebewesen quer über den Globus. Wann folgt endlich die EU? Ein Plädoyer zum Welt-Tierschutztag am 4. Oktober.
Neuseeland beendet das quälende Verfrachten von Lebewesen quer über den Globus. Wann folgt endlich die EU? Ein Plädoyer zum Welt-Tierschutztag am 4. Oktober.
Es war ein echter Paukenschlag: Neuseeland gab vor Kurzem bekannt, ab 2023 Exporte von lebenden Tieren per Schiff zu verbieten. Da das Land bekanntlich eine Insel ist, betrifft die Maßnahme praktisch alle Transporte, die außer Landes gehen.
Eine politische Steilvorlage – die eine gute Gelegenheit bietet, auch die Europäische Union an ihre Versäumnisse in Bezug auf den Umgang mit Tieren zu erinnern sowie überfällige Verbesserungen einzufordern. Insbesondere Tiertransporte auf dem Seeweg legen die systemimmanenten Missstände schonungslos offen. Eines der eindrücklichsten Beispiele war das Drama um 900 junge Rinder, die im vergangenen Jahr monatelang auf dem Transportschiff „Karim Allah“ im Mittelmeer unterwegs waren, weil aufgrund eines falschen Seuchenalarms kein Zielhafen das Schiff aufnehmen wollte. Berichte über die Situation an Bord drangen nach außen und sorgten weltweit für Empörung: Eingepfercht zwischen den Körpern ihrer Artgenossen, standen die Tiere tief in ihren Exkrementen, zudem wurden bereits nach wenigen Wochen Futter und Wasser knapp. Schließlich musste die „Karim Allah“ nach langer Irrfahrt zu ihrem Ausgangshafen Cartagena zurückkehren, weil man die Tiere in anderen Ländern – darunter die Türkei und Libyen – nicht aufnehmen wollte. Die spanischen Behörden stellten fest, dass die völlig entkräfteten Rinder für einen Weitertransport nicht mehr in Frage kamen. Noch im Hafen fand ihre Nottötung statt.
Lehren aus dem Fall „Karim Allah“
Der Transport als Horrortrip: Für Millionen Tiere täglich ist dies Realität. Der Fall der „Karim Allah“ zeigt auf tragische Weise, wie sehr der Umgang mit Tieren ethisch-moralisch entglitten und in den Mühlen einer absurden Bürokratie gelandet ist.
Zahlreiche Fragen drängen sich hier auf: Will man weiterhin zulassen, dass Tiere zur Ware degradiert werden, zu einer bloßen Manövriermasse? Ist es wirklich völlig egal, ob elektrische Einbauherde oder fühlende Lebewesen transportiert werden? Ist es gesellschaftlich tolerierbar, dass Tiere für den überbordenden Fleischkonsum dieser Welt grausam gequält werden? Fehlt hier jede Empathie?
Nicht nur Tierschutzorganisationen wie „Vier Pfoten“ sagen klar nein dazu – und fordern endlich eine Kehrtwende. Der dringende Handlungsbedarf beginnt bei den einschlägigen EU-Regelungen, die an allem anderen als an Tierwohl ausgerichtet zu sein scheinen: Derzeit dürfen etwa Schweine in der Europäischen Union 24 Stunden ohne Pause, Rinder 29 Stunden inklusive einer Stunde Pause und Geflügel zwölf Stunden ohne Futter und Wasser transportiert werden. Wobei diese Zeitspannen nach 24 Stunden Pause beliebig oft wiederholt werden können. Zudem werden regelmäßig gravierende Missstände auf den Transporten festgestellt, was nicht zuletzt zu einem eigenen Untersuchungsausschuss im Europäischen Parlament geführt hat.
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