Spiel und Gesellschaft: „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“
Durch das Spiel werden gesellschaftliche Strukturen verinnerlicht und daraus abgeleitet. Eine Betrachtung Regeln für das Miteinander anlässlich der Pädagogischen Werktagung Salzburg.
Durch das Spiel werden gesellschaftliche Strukturen verinnerlicht und daraus abgeleitet. Eine Betrachtung Regeln für das Miteinander anlässlich der Pädagogischen Werktagung Salzburg.
„Es ist eh nur ein Spiel“, wird gelegentlich und nicht gerade wertschätzend gesagt. Dem wäre entgegenzuhalten: „Nichts Geringeres als das Spiel!“ Denn das Spiel ist eine grundlegende menschliche Aktivität, schöpferisch, kreativ, reinigend und befreiend. Dies war Anlass genug, die diesjährige Internationale Pädagogische Werktagung in Salzburg, die mit 70 einen runden Geburtstag feiert, der „Faszination Spiel“ zu widmen.
Was ist eigentlich Spiel? Das Wort leitetet sich vom althochdeutschen „Spil“ her, was Tanzbewegung bedeutet. Es ist eine Tätigkeit, die intrinsisch motiviert ist, freiwillig und um ihrer selbst willen ausgeübt wird, sich autotelisch selbst belohnt, zumeist Vergnügen und Spaß bereitet und vielfach Lerneffekte bewirkt, ohne dass solche vom spielenden Menschen bewusst angestrebt werden. Vielfach wird im Spielen eine typisch kindliche Tätigkeit gesehen, die seltener werde, wenn der Mensch in den Ernst des Lebens eintritt.
Freiheit für alle Altersklassen
Doch auch Erwachsene spielen. Viele machen das Spiel sogar zu ihrem Beruf, indem sie Theater spielen, als Profifußballer Tore zu erzielen versuchen, in einem Berufsorchester die Violine streichen. Und den meisten Menschen ist es gegönnt, sich auch Liebesspielen hinzugeben, bei Gesellschaftsspielen tiefe Verbundenheit zu spüren, bei einem Schachspiel die Zeit zu vergessen und in den Flow zu geraten, wenn das Bewusstsein mit den Figuren gänzlich verschmilzt. Spielen ist alles andere als nur kindlich, und auch alles andere als unnützer Zeitvertreib, als was es von puritanischen Moralisten, die das Ethos des Kapitalismus entwickelten, kritisiert wurde. Für Friedrich Schiller, in seinen Briefen zur ästhetischen Erziehung des Menschengeschlechts, ist es die höchste Form des Menschseins: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ Und dies deshalb, weil der spielende Mensch frei von Notwendigkeit und Pflicht ist und voll und ganz seine schöpferische Freiheit realisieren kann.
Es gibt nahezu unendlich viele Spiele: Bewegungsspiele wie Tanzen, wovon der Begriff herkommt, Geselligkeitsspiele, Geschicklichkeitsspiele, Wettkampfspiele, Computerspiele usw. In der Entwicklungspsychologie etabliert hat sich folgende Einteilung, die auch eine Entwicklungssequenz abbildet: Funktionsspiele, wenn ein Säugling aus reiner Freude an der Bewegung immer wieder an einer Schnur zieht, was eine Glocke erklingen lässt, die an der Wiege befestigt ist. Sodann Konstruktionsspiele, wenn behutsam Bauklötze zu einem hohen Turm aufgeschichtet werden. Illusionsspiele, wenn ein Fünfjähriger in einer Kartonschachtel sitzt und den Motorenlärm eines Porsche imitiert. Rollenspiele, wenn eine Siebenjährige für ihre Puppe die Mami spielt. Regelspiele wie „Mensch ärgere Dich nicht“, bei dem Kinder lernen können, was in jedem Leben zumindest gelegentlich bewältigt werden muss: zu verlieren.
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