Wo eine Pille ist, dort ist auch ein Weg. So könnte ein Slogan von heute lauten. Nicht nur zur Linderung von Schmerzen, zur Behandlung schwerer körperlicher Leiden, nein, fast schon für alles muß ein schluckbares Mittel her: fürs Einschlafen, fürs Muntermachen, fürs Abnehmen, für sportliche Leistungen, zur Steigerung der Potenz, zum Empfängnisverhüten und zum Embryotöten.
Im Grunde mußte man seit Jahren damit rechnen, daß ein euphemistisch "Pille danach" genanntes Abtreibungspräparat, mag es nun RU 486 oder neuerdings Mifegyne heißen, eines Tages auch in Österreich erhältlich sein würde. Es ist lächerlich, wenn Abtreibungsgegnern unterstellt wird, sie seien nur deshalb gegen dieses "Mortikament", wie es der Innsbrucker Altbischof Reinhold Stecher einmal treffend genannt hat, damit abtreibende Frauen mehr leiden müßten. Um das Thema Abtreibung wurden bereits endlose Debatten geführt, die Standpunkte sind schlicht unvereinbar: Hier wird auf die Selbstbestimmung der Frau gepocht, dort das Lebensrecht des Embryos höher bewertet. Gegen RU 486 spricht nicht, daß es den Frauen Leiden erspart, sondern daß es höchstwahrscheinlich das Leben von noch mehr ungeborenen Kindern gefährdet, weil die Hemmschwelle sinkt. Aber nicht die Methode, das Töten an sich ist das wahre Problem. Die Suche nach dem effektivsten Mittel ist nur die logische Konsequenz.
Wenn etwas vom Gesetzgeber zugelassen ist, warum nicht mit dem möglichst idealen Mittel arbeiten? Also perfektioniert eine "Kultur des Todes", wie sie sich heute ausbreitet, die Methoden der Abtreibung, der Vollstreckung der Todesstrafe, der Euthanasie, aber auch des Krieges. Wenn es nur noch ums Schlucken von Tabletten oder ums Drücken auf Knöpfe und Überwachen von Bildschirmen geht, überwindet man manche Hemmungen wahrscheinlich leichter, als wenn man sich dem Tod Auge in Auge stellen muß.
Die heute fällige eindringliche Warnung darf sich nicht auf Methoden beziehen, sondern muß grundsätzlich sein: Hände weg vom menschlichen Leben!
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