"Ohne uns würde es halb Wien nicht geben"

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Ohne Steirer, Burgenländer und Kärntner würd's halb Wien nicht geben", sind die Bewohner des Arbeiterwohnheims der Baufirma Universal im 16. Wiener Gemeindebezirk überzeugt. Seit 30 Jahren arbeitet der Steirer Walter Mosel schon als Zimmerer in der Bundeshauptstadt. "Wiener sieht man am Bau keine. Die traun sich nicht so hoch rauf," erzählt er im kleinen Gemeinschaftsraum des Wohnheims, das seit Jahrzehnten sein zweites Zuhause ist. Er teilt es mit über 300 weiteren Pendlern. Viele kommen wie er aus der Steiermark.

Als er sich damals entschied nach Wien zu pendeln, dachte er, wie die meisten seiner Kollegen, es würde nur für ein paar Jahre sein. "Am Anfang bin ich nach Wien gegangen, um daheim zu bauen. Für die Familie etwas zu schaffen." Doch wie viele andere wird er jetzt bis zu seiner Pensionierung Wochenendpendler bleiben. Auch der Burgenländer Gerhard Brandstätter plante sein Leben eigentlich anders. "Am Beginn hätte ich mir nicht träumen lassen, daß ich 35 Jahre in Wien bleib. Es ist nur schwer wegzukommen", berichtet er.

In der Stadt verdienen die Männer um etwa 2.000 Schilling mehr als in den Bundesländern. Und auf dieses Geld können die wenigsten verzichten. Denn obwohl sie ihre Familien fast nie sehen, haben die meisten doch eine zu versorgen. "Spaß macht es keinen", meint Mosel, "um sechs Uhr fangst an zu arbeiten, das geht dann bis 18, 19 Uhr. Zu Mittag ist man eh schon müde." Die Abende verbringen sie daher meistens im Wohnheim. "Alle Bewohner kennen wir natürlich nicht, aber eine kleine Gruppe trifft sich abends immer im Gemeinschaftsraum", erzählt Brandstätter. Für größere Unternehmungen sind sie sowieso zu müde. Und am nächsten Tag müssen sie ja schließlich wieder früh raus.

Die Seele des Männerheims ist Anneliese Terkl. Seit 32 Jahren sorgt sie dort für Ordnung. Anderen Frauen ist der Zutritt strengstens verboten. "Sie ist eine zweite Mutter für uns", lacht Mosel. "Wenn's Probleme gibt, gehen wir zu ihr." Aber auch wenn es was zum Feiern gibt. So wie letztes Jahr zu Weihnachten, als er und Brandstätter über die Feiertage arbeiten mußten. "Das sind wir dann hier beim Christbaum gestanden und haben ,Stille Nacht' gesungen."

Daß sie die Familie nur am Wochenende sehen und manchmal sogar an Feiertagen arbeiten müssen, ist das Schwerste. Besonders für die Jungen, die noch nicht lange pendeln. "Daheim ist man auch nicht daheim", resümiert Brandstätter, "man hat zwei Leben und muß immer umschalten."

Die Autorin ist freie Journalistin.

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