Nachdenken auch in Österreich?
Ist Euthanasie wie in Holland auch bei uns denkbar? fragte die furche den Wiener Suizidforscher Gernot Sonneck.
Ist Euthanasie wie in Holland auch bei uns denkbar? fragte die furche den Wiener Suizidforscher Gernot Sonneck.
Innerhalb der nächsten zehn, zwanzig Jahren ist es ziemlich ausgeschlossen, dass in Österreich die Euthanasie eingeführt wird", sagt der Vorstand des Instituts für Medizinische Psychologie an der Universität Wien, Professor Gernot Sonneck im Gespräch mit der furche. "Wir haben doch eine sehr unselige Hypothek abzutragen, nämlich die Vernichtung sogenannten lebensunwerten Lebens, also die ganze Nazi-Zeit, die sich auch in unserem Land abgespielt hat. Das ist ein wesentlicher Grund, warum wir mit solchen Fragestellungen sehr vorsichtig umgehen." Andere Länder, die diese Hypothek nicht haben, hätten es da viel leichter.
Psychiater und Suizidforscher Sonneck plädiert überhaupt für einen "sehr zurückhaltenden Umgang mit solchen Fragestellungen". Dennoch hält er es für sehr wichtig, dass über die aktive Sterbehilfe auch in Österreich diskutiert werde. Auch hier gäbe es eine "Reihe von Leuten, die meinen, das wäre eine ganz brauchbare und günstige Lösung." Er sieht jedoch darin eine wesentliche Problematik: "Wenn wir einmal das Tor in diese Richtung öffnen, dann kann alles Mögliche passieren", und hält dem entgegen: "Solange so viele Leute unter so entwürdigenden Umständen sterben müssen, wie es derzeit in unseren Breiten der Fall ist, solange sollte man sich letzten Endes keine ernsthaften Gedanken über aktive Sterbehilfe machen."
Wie man seinen Tod gestalten kann, hält der Psychiater für eine sehr zentrale Frage der Gesellschaft: "Wir müssen wiederum eine entsprechende Sterbekultur entwickeln. Das heißt aber nicht, nur auf der Seite der Palliativmedizin und Hospize und so weiter. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem: Wie gehen wir mit Sterbenden um?"
Primär sei es wichtig, Sterbenden eine optimale Lebensqualität vermitteln zu können und ihnen dabei zu helfen, diese zu erreichen. Auf der anderen Seite ist er überzeugt, dass von den "rund 80.000 Personen die im Jahr in Österreich sterben etwa 2.000 darunter sein werden, die unter ganz fürchterlichen Bedingungen sterben und denen wir einfach nicht wirksam helfen können."
Sonneck führt einen weiteren Aspekt an: Ein Kranker, wenn er orientiert, klar und besonnen ist und frei entscheiden kann, kann wissen lassen, dass er zum Beispiel keine Behandlung will. "Wenn wir das ernst nehmen - und das wird zunehmend ernst genommen - dann sind viele Argumente, die für diese passive Sterbehilfe gelten, auch für die aktive Sterbehilfe von Interesse", betont er klar. "Zumindest insofern, als es eine Art Beihilfe zum Suizid ist. Um das kommen wir nicht herum!"
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!