Lernen - nicht ohne Gemeinschaft
Bildungshäuser sind traditionsreiche Institute - nicht nur im kirchlichen Bereich: F. Riebenbauer, Direktor vom "Raiffeisenhof" in Graz, im Furche-Gespräch.
Bildungshäuser sind traditionsreiche Institute - nicht nur im kirchlichen Bereich: F. Riebenbauer, Direktor vom "Raiffeisenhof" in Graz, im Furche-Gespräch.
Die Furche: Wozu ist ein Bildungshaus heute da?
Franz Riebenbauer: In einem Bildungshaus steht "Bildung" im Vordergrund - verbunden mit der Möglichkeit der Grundversorgung: gemeinsam essen, feiern und - wenn geht - auch gemeinsam einige Nächte zu verbringen.
Die Furche: Die Menschen sind - im Gegensatz zu vor 20, 30 Jahren - sehr mobil: Ist es da noch notwendig, eine Komplettversorgung zu bieten?
Riebenbauer: Wir stellen fest, daß der Bildungs- oder Lernfortschritt besser ist, wenn Kursteilnehmer auch den Abend gemeinsam verbringen - und sei es nur ein Abend: Die Kommunikation wird so intensiver. Sonst beschränkt man sich aufs Anreisen um neun Uhr und dann um fünf aufs nach Hause Hetzen. Es entsteht kein Gemeinschaftsbewußtsein, die Gruppe entwickelt sich nicht: Längerfristig ist das negativ - etwa für das gegenseitige Tragen nach einer Ausbildung -, weil man nur tageweise beisammen ist - auch wenn das über Wochen geht. Wir müssen die Leute mehr und mehr motivieren, doch den Mut zu haben, zumindest eine Nacht einmal von zu Hause wegzugehen - auch wenn dies organisatorisch nicht immer leicht ist. Es geht um das bewußte Kommen ins Haus, um dann bewußt dort zu bleiben: Wir wissen, daß das mehr ist als eine bloß über einen Tag oder mehrere Tage gehende Wissensvermittlung.
Die Furche: Auch der Bildungsmarkt wird zunehmend enger; es gibt andere Institutionen - Volkshochschulen oder verschiedene kirchliche Organisationen: Spüren Sie diese Konkurrenz?
Riebenbauer: Es gibt in Graz drei Bildungshäuser - darunter ein kirchliches. Jedes davon hat seine Grundklientel, die es in erster Linie anspricht. Es gibt auch solche Leute, die am liebsten immer ins gleiche Haus gehen. Ich habe mich jedenfalls nie als Konkurrent zum kirchlichen Haus gefühlt, weil wir religiöse Inhalte nicht anbieten. Wir haben einmal Sprachkurse versucht, aber das ist eine Domäne der Volkshochschule. Ich glaube, das sollte man so lassen: Derartige Angebote sollten dort bleiben, wo die Spezialisten sind. Ich sehe das eher als Motivation selbst dorthin zu gehen, denn als Konkurrenz.
Die Furche: Bei welchem Angebot Ihres Hauses sind Sie die Spezialisten?
Riebenbauer: Unser Schwerpunkt ist Persönlichkeitsbildung für Unternehmer im ländlichen Bereich. Anders gesagt: Ich bin fest davon überzeugt, daß die Persönlichkeit des Unternehmers das Unternehmen prägt. Auch im ländlichen Umfeld muß ich schauen, daß die Unternehmerpersönlichkeit stimmig wird - wo immer das Niveau dieser Person liegt. Und da haben wir seit knapp zehn Jahren Bauern- und Bäuerinnen-Unternehmer-Seminare, die zu zwei Drittel Persönlichkeitsbildung sind und ein Drittel Fachbildung. Wir stärken so das Fundament: Wenn einer als Persönlichkeit gut unterwegs ist, wird er auch mit dem Unternehmen flexibel.
Die Furche: Hat der EU-Beitritt die Entwicklung Ihres Hauses beeinflußt?
Riebenbauer: Vor allem die Schulungen haben intensiv zugenommen, weil viele Leute Schulungen nachweisen müssen, um EU-Förderungen zu erlangen. Dazu gehört auch das Nachholen von Bildungsabschlüssen, vor allem Facharbeiterkurse, und weitere Qualifizierungen. Diese Angebote sind hochgeschnellt - allerdings durch den sanften Druck, daß sie zur Inanspruchnahme von Förderungen nötig sind.
Die Furche: Wie kann ein Bildungshaus finanziell über die Runden kommen?
Riebenbauer: Unser Haus hat immer die Philosophie vertreten: Wir brauchen ein Drittel an Gastveranstaltungen - das sind Seminare, wo wir nur das Grundrüstzeug zur Verfügung stellen -, an denen wir verdienen müssen, um ein Drittel an Eigenveranstaltungen, das wir anstreben, zu fördern.
Die Furche: Und das dritte Drittel?
Riebenbauer: Dieses belegt der Partner unseres Hauses, der Raiffeisenverband, der kostendeckend bezahlt. Wir haben als eines der wenigen Häuser noch drei pädagogische Mitarbeiter: Wenn ich mir die Bildungshaus-Landschaft anschaue, ist das die Ausnahme. Manche sind ja nur mehr Alleinunternehmer: Da ist der Leiter des Hauses, und der ist für alles zuständig. Diese Entwicklung erfüllt mich mit Sorge.
Das Gespräch führte Otto Friedrich.
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