Infrastruktur für alle!
Unter dem Deckmantel der Modernisierung Bankomaten oder Supermärkte auszudünnen, führt zu Barrieren und verhindert Gemeinschaft – nicht nur bei bei den Alten. Eine Betrachtung.
Unter dem Deckmantel der Modernisierung Bankomaten oder Supermärkte auszudünnen, führt zu Barrieren und verhindert Gemeinschaft – nicht nur bei bei den Alten. Eine Betrachtung.
Im Supermarkt den Einkauf selbst kassieren, am Postamt den Brief an der Versandstation aufgeben oder das Bahn-Ticket online kaufen: Die technologiegestützte Selbstbedienung, auch als Self-Service bekannt, ist aus der modernen Dienstleistungswirtschaft nicht mehr wegzudenken. Doch der vermeintliche Fortschritt wird oft auch als lästige Notwendigkeit wahrgenommen. Tenor: „Wenn ich einkaufe, möchte ich nicht auch noch diese Arbeit selbst erledigen müssen.“ Ein Argument, das von immer mehr Menschen geäußert wird – in ganz unterschiedlichen Altersgruppen. Besonders ärgerlich empfinden viele dabei, dass Dienstleistungen an einem Personenschalter – etwa in der Bank – heute oft mit zusätzlichen Kosten verbunden sind. Das benachteiligt jene, die sich aus unterschiedlichen Gründen mit der Technik schwer tun.
„Wir denken die Norm meistens als männlich, jung, iPad-tragend, in einer Firma arbeitend“, erklärt dazu Ulla Kriebernegg. Sie forscht am Grazer Zentrum für Alterns- und Careforschung zu den veränderten Bedürfnissen durch den soziodemografischen Wandel. Die aktuellen Entwicklungen in der Dienstleistungswirtschaft sieht sie, wie ihr Kollege und Careforscher Klaus Wegleitner, durchaus kritisch. „Infrastruktur muss man barrierefreier Denken“, erklärt der Wissenschaftler.
Der derzeitige Trend gehe aber in die entgegengesetzte Richtung. Self-Service hilft Unternehmen, Ressourcen zu sparen. Das bedeutet auch, dass Geschäftsstandorte zusammengelegt oder außerhalb des Ortskerns zu günstigeren Konditionen errichtet werden. Beispiel dafür sind etwa die zunehmenden Schließungen von Bankfilialen, Bankomaten oder Supermarktfilialen in ländlichen Gemeinden. Wer nicht mobil ist, hat dann das Nachsehen.
Das bestätigt die ungewöhnlich anmutende Aktion einer Senioren-Gruppe aus dem Burgenland. Sie leben in einem „Betreuten Wohnen“ in der 8000-Einwohner-Stadt Oberwart, demonstrierten vor Kurzem mit ihren Rollatoren für den Erhalt einer nahe gelegenen Supermarktfiliale und überreichten hunderte Unterschriften. Hans Robeischl, der die Demonstration anführte, kam im ORF zu Wort: „Uns geht es darum, dass wir eigenständig leben können“, sagte er. „Dieses Recht darf uns niemand verwehren. Zu den anderen Lebensmittelgeschäften kommen wir einfach nicht mehr hin.“
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