Herwig Kollaritsch: "Da lacht ja sogar das Virus!"
Der sorglose Umgang mit Antibiotika führt dazu, daß resistente Bakteriengezüchtet werden, klagt der Tropenmediziner Herwig Kollaritsch.
Der sorglose Umgang mit Antibiotika führt dazu, daß resistente Bakteriengezüchtet werden, klagt der Tropenmediziner Herwig Kollaritsch.
dieFurche: Im Nordosten Kenias gab kürzlich eine Seuche Rätsel auf. Immer wieder läßt Seuchenalarm speziell in Schwarzafrika aufhorchen. Besteht durch den globalen Massentourismus die Gefahr einer weltweiten Ausbreitung von Krankheiten aus tropischen Gebieten? Jedes Virus kann bereits innerhalb von 24 Stunden per Flugverkehr überall in der Welt auftauchen.
Professor Herwig Kollaritsch: Nicht jede Infektionskrankheit ist leicht übertragbar. Diese Krankheit in Kenia ist es ja offensichtlich nicht. Denn sonst hätte sie längst das ganze Land erfaßt beziehungsweise wäre sie an verschiedenen Stellen aufgeflackert. Sie ist also ein lokales Problem. Ähnlich wie das Ebolavirus. Solche Infektionen sind niemals eine Gefahr für die ganze Welt, sondern nur für die dortige Bevölkerung. Für den internationalen Tourismus gibt es nur ganz, ganz wenige Infektionen, die von ihrer Übertragungswahrscheinlichkeit her so gefährlich sind, daß sie ein Problem darstellen. Windpocken beispielsweise gehören dazu. Wer diese Krankheit hat, ist hochinfektiös, er kann alle anstecken. Das ist nicht selten, wir haben jede Menge Krankheitsfälle.
dieFurche: Geht nicht auch eine Gefahr von jenen aus, die sogenannte Last-minute-Reisen buchen? Die reisen dann ungeschützt in die Tropen, weil sie keine Zeit mehr für Impfungen haben.
Kollaritsch: Wer sagt, er habe keine Zeit zum Impfen, ist in Wirklichkeit nur bequem. Selbst wenn jemand drei Tage vor der Abreise steht, so kann man das eine oder andere für ihn tun, was die Gefahr einer Infektion vermindert. Man kann ihn vielleicht nicht mehr zur Gänze immunisieren, aber man kann ihm wenigstens auch noch sagen, worauf er besonders aufpassen soll. Der Weg zum Arzt darf auch solchen Schnellentschlossenen nicht erspart bleiben. Das ist wichtig. Heute werden Infektionskrankheiten nach Österreich importiert, die alle verhinderbar wären, wenn die Leute sich Schutzimpfungen abholen oder besser aufpassen würden.
dieFurche: Wie viele büßen ihre Nachlässigkeit mit oft langwierigen Krankheiten?
Kollaritsch: Gar nicht wenige. Nehmen Sie zum Beispiel Malaria: Weltweit gesehen bekommt einer von 3.000 Touristen, die keine Prophylaxe machen, eine schwere Malaria. Wir hatten in Österreich im Vorjahr auch zwei Malaria-Tote.
dieFurche: Ist durch den Massentourismus auch mit exotischen Infektionskrankheiten zu rechnen, die sogar zu Epidemien führen könnten?
Kollaritsch: Unter exotischen Infektionskrankheiten verstehen wir jene, die nicht bei uns heimisch sind. Da tut sich aber nichts. Typhus beispielsweise tritt in Europa so gut wie nicht mehr auf. Und wenn Fälle auftreten, so sind sie ausnahmslos importiert, haben aber kein Potential, sich zu einer Epidemie zu entwickeln. Immer weniger Menschen in Österreich erkranken auch an Tuberkulose. Außer bei HIV-Positiven, da ist die Tuberkulose eine typische und sehr schwer beherrschbare Infektion.
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