Hanna Gustafsson: „Mütter werden streng geprüft“
In Österreich soll ein neues Kindschaftsrecht nach skandinavischem Vorbild etabliert werden. Was ist dran am Vorzeigemodell? Die schwedische Anwältin Hanna Gustafsson im Gespräch.
In Österreich soll ein neues Kindschaftsrecht nach skandinavischem Vorbild etabliert werden. Was ist dran am Vorzeigemodell? Die schwedische Anwältin Hanna Gustafsson im Gespräch.
Seit Längerem laufen im Justizministerium Bemühungen, das Kindschaftsrecht zu novellieren. Dieses regelt Kontakt und Obsorge bei getrennten Eltern. Angekündigt ist, dass im Laufe dieses Herbstes ein Gesetzesentwurf in Begutachtung gehen soll. Während sich Befürworter der Novelle eine Weiterentwicklung nach schwedischem Vorbild erhoffen, die zu mehr Gleichstellung der Geschlechter führen soll, gibt es auch zunehmend kritische Stimmen: Sie weisen darauf hin, dass Skandinavien gesamtgesellschaftlich nicht mit Österreich zu vergleichen sei. Die FURCHE hat bei der schwedischen Familienrechtsanwältin Hanna Gustafsson aus der Stockholmer Kanzlei Rebecca Lagh nachgefragt, wie sie die Lage in ihrem Land einschätzt – und ob es Parallelen zu Österreich gibt.
DIE FURCHE: In Österreich sieht man Schweden immer als Vorzeigebeispiel, was das Familienrecht betrifft. Wie würden Sie diesbezüglich die Entwicklung in Ihrem Land beschreiben?
Hanna Gustafsson: In den letzten zehn Jahren hat die Zahl der Sorgerechtsstreitigkeiten in Schweden stark zugenommen. Laut einem Forschungsbericht der Universität Uppsala sind fast die Hälfte dieser Streitigkeiten reine Formalitäten, bei denen ein Elternteil aus verschiedenen Gründen nicht mehr in das Leben des Kindes involviert ist. In der anderen Hälfte geht es um „reguläre“ Sorgerechtsstreitigkeiten. Diese sind oft klassenbezogen. Laut dem Forschungsbericht sind die betroffenen Eltern sowohl sozial als auch finanziell gefährdet. Psychische
Erkrankungen und Gewalt spielen bei fast der Hälfte der Streitigkeiten eine Rolle.
DIE FURCHE: Was läuft da schief?
Gustafsson: Experten glauben, dass die Zunahme von Sorgerechtsstreitigkeiten teils darauf zurückzuführen ist, dass die Hilfe für schutzbedürftige Eltern abgenommen hat. Möglicherweise ist auch das Sicherheitsnetz aus Präventionsmaßnahmen für Familien mit Kindern schwächer geworden.
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