Gesundheitssystem: Veränderungen mit Augenmaß gefragt

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Mit der neuen Legislaturperiode wächst die Hoffnung auf eine Verbesserung der Strukturen im Gesundheitswesen. ÖÄK-Präsident Reiner Brettenthaler sieht im Regierungsprogramm Chancen, aber auch Lücken.

Präsident Brettenthaler, eine neue Legislaturperiode hat begonnen. Sind Sie zufrieden mit dem, was im Regierungsprogramm zur künftigen Ausgestaltung des Gesundheitswesens steht?

Reiner Brettenthaler: Ich bin nicht unzufrieden. Forderungen, die wir in den vergangenen Jahren oft formuliert haben, sind gehört worden: Erstmals ist von Bürokratieabbau die Rede. Ärzte müssen immer mehr dokumentieren, haben weniger Zeit für die Patienten. Das muss sich ändern. Außerdem wird die Verbesserung der Turnusärzteausbildung erwähnt. Neue Formen der Zusammenarbeit für Ärztinnen und Ärzte sind ebenfalls erwähnt - diese neuen Kooperationsmodelle benötigen wir dringend, um im niedergelassenen Bereich spitalsentlastend arbeiten zu können. Wir brauchen Teilzeit-Arbeitsmöglichkeiten für unsere Ärztinnen und Ärzte.

Sind Sie optimistisch, dass diese Ankündigungen auch umgesetzt werden?

Brettenthaler: Papier ist geduldig. Das haben wir in der Vergangenheit oft erleben müssen. Aber tendenziell sehe ich mehr Chancen als Risken. Richtig finde ich es im Übrigen auch, dass man sich auf eine Begrenzung der Rezeptgebühr für die Patienten geeinigt hat. Als Allgemeinmediziner sieht man ja oft, wie sehr die Patienten durch die Rezeptgebühr belastet sind.

Es gibt aber auch sicher Dinge, die Sie aus Sicht der Ärztekammer stören?

Brettenthaler: Ich vermisse Aussagen zur Rolle der niedergelassenen Fachärzte. Sie sind für unsere Patienten genau so wie die Allgemeinmediziner zentrale Ansprechpartner. Sie leisten einen wesentlichen Teil unserer Gesundheitsversorgung, die Patienten vertrauen ihnen. Aber sie kommen im Regierungsprogramm nur am Rande im Zusammenhang mit dem Aufbau ambulanter Gesundheitszentren vor. Uns ist es aber wichtig, dass die guten, dezentralen wohnortnahen Strukturen - und dazu gehört auch der Bereich der niedergelassenen Fachärzte - erhalten und ausgebaut werden. Außerdem fehlen nach wie vor Lösungen zu den überlangen Arbeitszeiten der Spitalsärzte. Bekanntlich verstoßen sieben von zehn Spitälern in Österreich gegen das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz. Es fehlen Pensionsregelungen für angestellte Ärztinnen und Ärzte, die nach der letzten Pensionsreform nie auf die volle Pension kommen, weil sie eine so lange Ausbildung haben und erst spät in den Beruf einsteigen.

Was ist Ihnen für die Patienten besonders wichtig?

Brettenthaler: Generell ist mir wichtig, dass die Diskussion über unser Gesundheitswesen nicht nur unter ökonomischen Gesichtspunkten geführt wird - nebenbei: Das Gesundheitswesen ist einer der größten Arbeitgeber in Österreich -, sondern dass der medizinische Bedarf und die subjektiven Bedürfnisse der Patienten berücksichtigt werden. Es kann nicht sein, dass eine Entwicklung eintritt, dass man die Schwerstkranken in Zukunft nicht mehr optimal behandeln kann, weil für Bagatellfälle und Strukturfehler im Gesundheitswesen zu viel Geld aufgewendet wird. Das ist eine ernste Sorge. Wichtig ist mir weiters, dass man die schon häufiger gehörte Ankündigung der Aufwertung der Rolle der Allgemeinmediziner endlich mit Leben füllt. Die Hausärzte sind die ersten Anlaufstellen für die Patienten und haben damit eine zentrale Steuerungsfunktion. Wenn auf diesem Gebiet nichts geschieht, kann dies zum Verschwinden der Hausärzte führen. Das wäre eine Katastrophe für die vielen Menschen, die jetzt und in Zukunft noch mehr auf eine wohnortnahe Versorgung angewiesen sind. Mit schönen Worten allein aber wird es nicht getan sein. Ein weiterer zentraler Punkt wird der Abbau der Bürokratie in den Spitälern und in den Praxen sein, wie überhaupt die Arbeitsbedingungen der Ärztinnen und Ärzte in den Praxen und besonders in den Spitälern verbessert werden müssen. Das betrifft unter anderem die Ausbildung und die Arbeitszeiten der Ärzte. Von einer Veränderung in diesem Bereich würden alle profitieren: die Patientinnen und Patienten und unsere Ärztinnen und Ärzte.

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