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Einen „heißen Herbst“ haben die Lehrervertreter angekündigt – und heiß wird bereits in der ersten Schulwoche über die Schule diskutiert – meist mit altbekannten Versatzstücken. Ein Versuch zur Herunterkühlung.

Täuscht der Eindruck, oder ist die Stimmung rund um die Schule in diesem Herbst tatsächlich gereizter als sonst? Bildet sich darin nur die allgemeine Krise ab, oder steht das „System Schule“ nun wirklich – nach Jahrzehnten quälender Debatten, wechselseitiger Blockaden, ewigen Krankredens, zahlloser „Schulversuche“ – an der Kippe?

Gleich zu Beginn des Schuljahres hagelt es Kritik von allen Seiten: Eine OECD-Studie, am Dienstag dieser Woche veröffentlicht, stellt Österreichs Bildungssituation einmal mehr ein schlechtes Zeugnis aus, die Gratiszeitung Heute destillierte daraus den instinktsicheren Aufmacher „Österreichs Lehrer als Gagenkönige“, und das profil wusste schon am Montag „Warum die Schule alles falsch macht“.

Notorisch strapazierte Klischees

Es hat in der Tat den Anschein, sie könne gar nichts mehr richtig machen, zu verfahren ist der Karren. In kaum einer anderen Debatte wird derart sorglos mit Klischees hantiert. Die faulen und überbezahlten Lehrer sind eines davon, zu den anderen, notorisch strapazierten Versatzstücken zählen: soziale Asymmetrie des Systems; repressiver Frontalunterricht; Pädagogen, die ihre Komplexe durch autoritäres Verhalten kompensieren; gebrochene, in ihrer Kreativität und ihrem Wissensdrang gebremste Kinder … Am besten wird das illustriert mit Einzelbeispielen, etwa dem Lateinlehrer, der seitenweise Ovid auswendig lernen lässt, bevor die Schüler den Text überhaupt verstehen können. Einzelfälle haben ja – generell, nicht nur bei diesem Thema – den Vorteil, dass sie Argumente ersetzen und man daher auch nicht gegen sie argumentieren kann (gegen Geschichten von Extrem- oder Härtefällen hat eine sachlich- abwägende Analyse kaum Chancen).

Gern wird dann auch noch süffisant auf die jahrhundertelange Prägung des Schulwesens durch die Kirche verwiesen. Als ob einerseits sich Ordensschulen nicht gewandelt und den modernen Zeitläuften angepasst hätten; und andererseits, als ob nicht in den klösterlichen Traditionen auch ein vertieftes allgemeingültiges Wissen um den Menschen aufbewahrt wäre.

Also ohnedies alles in Ordnung? Nein, mitnichten. Natürlich wird Unterricht mittelfristig eine ganztägige Veranstaltung werden müssen – mit Kern- und frei verfügbaren Zeiten, beispielsweise für sportliche, musikalische oder soziale Betätigung. Natürlich braucht es Arbeits-Plätze für Lehrer, die diesen Namen verdienen, also nicht je einen halben Quadratmeter an einem großen gemeinsamen Konferenztisch. Und natürlich muss es für Lehrer, die tatsächlich den genannten Klischees entsprechen, Konsequenzen geben – wie das in anderen Berufsgruppen ja auch ganz selbstverständlich der Fall ist.

Aber es ist doch verblüffend, wie gerade bei der Schule alles Heil von einer Systemumstellung erwartet wird. Seit jeher eine Lieblingsspielwiese von Sozialtechnokraten, lässt sich an ihr exemplarisch der bei der politischen Linken vorherrschende Glaube an die Verbesserung des Menschengeschlechts durch Strukturmaßnahmen studieren.

Bußschweigen für Experten & Politiker

In einem der luzidesten Beiträge zur aktuellen Debatte (Presse-Spectrum, 29. August) brachte Christian Schacherreiter, Direktor an einem Linzer Gymnasium, die leitende Vorstellung auf den Punkt: „Wenn man mit den richtigen Methoden (natürlich lustvoll und per E-Learning) im richtigen System (Gesamtschule) Menschen zu Lernprozessen animiert, dann kommt am Schluss das erwünschte PISA-Ergebnis heraus.“ Politiker und Bildungsexperten würden daher „für schlechte Leistungen auch nie die Schülerinnen und Schüler mitverantwortlich“ machen, „sondern immer nur die Lehrkräfte und ‚das System‘“.

Gerade reformorientierte Kreise fordern gelegentlich, Papst und Bischöfe sollten sich in Sachen Sexualmoral für eine Zeit lang Schweigen auferlegen – nicht weil das Thema unwichtig wäre, sondern um ein wenig Luft herauszulassen. Vielleicht wäre solche Abstinenz auch für die Schul- und Bildungsverantwortlichen das Gebot der Stunde.

* rudolf.mitloehner@furche.at

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