Caritas: Meistens unbequem
Klaus Schwertner, geschäftsführender Caritasdirektor der Erzdiözese Wien, hat ein Buch über sein „Gutmensch-Sein“ geschrieben - und den Auftrag der Caritas, lästig zu bleiben. Ein Auszug.
Klaus Schwertner, geschäftsführender Caritasdirektor der Erzdiözese Wien, hat ein Buch über sein „Gutmensch-Sein“ geschrieben - und den Auftrag der Caritas, lästig zu bleiben. Ein Auszug.
Juni 2015 in Traiskirchen. Die Uhr in meinem Auto zeigte 14:34 Uhr, als mein Navi mich in die Otto-Glöckel-Straße 24 zur sogenannten Erstaufnahmestelle Ost des Bundesministeriums für Inneres lotste. Wenn es einen Ort in Österreich gibt, an dem man die Flucht- und Migrationsgeschichte unseres Landes wie an Jahresringen eines Baumes abzählen kann, dann ist es dieses weitläufige Kasernenareal, 20 Autominuten außerhalb von Wien. [...] Als ich endlich einen Parkplatz gefunden hatte, klopfte ein junger Bursche an das Fenster meines Autos: „Do you have a cigarette for me, please?“ Ich reichte ihm eine Zigarette, zündete mir selbst eine an. Ja, ich hatte wieder zu rauchen begonnen. [...] In Wahrheit rauchte ich das ganze Jahr hindurch. Denn was auf meinen Besuch in Traiskirchen folgte, waren Wochen und Monate harter politischer Auseinandersetzungen.
Was folgte, war eine unwürdige Herbergssuche von geflüchteten Menschen in unserem Land und im Herbst 2015 schließlich eine Solidaritätskrise innerhalb Europas. Menschen auf der Flucht, die sich zu Hunderttausenden und zum Teil zu Fuß auf den Weg durch halb Europa machten. [...] Der Kühl-Lkw bei Parndorf mit 71 Toten. Alan Kurdi, der kleine syrische Bub, der im Alter von zwei Jahren im Mittelmeer auf der Flucht ertrank und dessen Leichnam an einem Strand nahe Bodrum am 2. September 2015 angespült wurde. Die Bahnhöfe und die Überforderung der Behörden. Doch all das war an diesem Juni-Nachmittag in Traiskirchen noch weit entfernt.
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