Asyl ist keine "Reise nach Jerusalem"

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Es ist ein gemeines Spiel, viel böser als "Mensch ärgere dich nicht". Beim Würfelspiel wird man zwar auch rausgeworfen, aber man darf am Tisch sitzen bleiben. Bei dem Sessel-Weg-Spiel "Reise nach Jerusalem" fliegt hingegen raus, wer keinen freien Platz mehr ergattert.

Es fehlt nicht an Platz in Österreich, wollen die "Tag des Bleiberechts"-Initiatoren mit ihrer Sesselmeer-Aktion am 10. Oktober in allen Landeshauptstädten symbolisieren. Wenn nämlich am Freitag überall in Österreich Sessel aufgestellt werden, heißt das nicht, jemand wird vor die Tür gesetzt, sondern das Gegenteil: Ein Gnadenrecht auf Bleibe hat im Rechtsstaat Österreich keine Berechtigung.

Im Juni hat der Verfassungsgerichtshof deswegen ein rechtsstaatliches Verfahren eingefordert. Und mit dem Sesselmeer soll jetzt eine Welle der Solidarität für Langzeitasylwerber ausgelöst und damit der Bleiberechts-Damm bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen durchbrochen werden: "Die neue Regierung soll wissen, dass es viele Österreicher gibt, die diese Probleme gelöst wissen wollen", sagt Nadja Lorenz, Vorsitzende von SOS Mitmensch, eine der Betreiberorganisationen dieser Bleiberechts-Kampagne.

Die Diakonie Österreich unterstützt ebenfalls das Sesselmeer - unter anderem wegen dem kurdischen Flüchtling M., der von den Flüchtlingsberaterinnen der Diakonie St. Pölten betreut wird: M. ist 1992 als in der Türkei verfolgter und misshandelter Kurde in Österreich eingereist und hat Asyl beantragt. Bereits zweimal war sein mittlerweile 16 Jahre dauerndes Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gelandet. Zweimal wurden schwere Fehler der Asylbehörden festgestellt, zweimal eine neuerliche Prüfung des Asylantrags angeordnet.

16 Jahre Warten auf Asylbescheid

Zurzeit liegt der Antrag beim neuen Asylgerichtshof. Unentschieden ist damit der Status von M., unentschieden sein weiteres Leben. Dass M. für sich, seine Frau und seine zwei in Österreich geborenen Kinder sorgen kann, beweist der Mann seit Jahren. Sein Ansuchen um Staatsbürgerschaft wurde trotz Erfüllung aller anderen Kriterien abgelehnt, weil sein Asylverfahren noch in Schwebe ist; auf seine Nachfrage nach Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung hat er die gleiche Antwort bekommen. "Ich warte seit 16 Jahren", sagt M., "ich habe bald keine Kraft mehr, mein Leben zieht an mir vorbei!"

Mit den fehlerhaften Asylentscheidungen der letzten Jahrzehnte hat Österreich den Betroffenen jahrelanges Warten zugemutet - Hunderte haben Wurzeln geschlagen. Dennoch ist ihre Zukunft ungewiss. "Wer länger als fünf Jahre hier ist, kann bleiben!", fordern deswegen die Initiatoren des Sesselmeers. Denn das Recht auf Asyl darf kein Spiel sein - weder ein "Mensch ärgere dich nicht" und noch weniger eine "Reise nach Jerusalem".

www.bleiberecht.at

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