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Seit 1999 setzt man mit dem Wiener "Anti-Gewalt-Programm" auf

Prävention - und benötigt stetig mehr Ressourcen.

Zuerst setzte es Ohrfeigen. Als sie versuchte, aus der Wohnung zu flüchten, zog er sie an den Haaren zurück, schlug und trat auf sie ein. Schließlich landete Frau B. mit multiplen Prellungen im Krankenhaus - und fasste den Mut, ihren randalierenden Lebensgefährten anzuzeigen. Kurze Zeit später nahm sie sich mit Unterstützung der Wiener Interventionsstelle abermals ein Herz - und gab ihm noch einmal eine Chance: Mit Hilfe eines Anti-Gewalt-Trainings sollte er lernen, Verantwortung für seine Übergriffe zu übernehmen, seine Aggressionen mit deeskalierenden Techniken zu zügeln, seine eigenen Männer-Bilder zu hinterfragen und seine soziale Kompetenz zu erhöhen. Nicht nur bei Frau B. würde dieses Engagement Eindruck machen - sondern auch im Strafverfahren.

Nach Erstkontakt und "Clearingphase" war es so weit: Acht Monate lang wagte Herr B. verstohlene Blicke in jene Abgründe seines Wesens, die ihn zum Schläger machten. 30 Gruppensitzungen später hatte er eine Ahnung, was vor sich ging, wenn er Amok lief. Seither hat er sich im Griff - und der Polizei keinen weiteren Vorfall geliefert.

Seit 1999 bietet die Männerberatung Wien gemeinsam mit der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie dieses "Training für Männer zur Beendigung von gewalttätigem Verhalten in Paarbeziehungen" samt einem Unterstützungsprogramm für die Opfer an. Subventioniert von Innenministerium, Bundeskriminalamt und Opferhilfe soll dieses "CHANGE-Programm" Männer aus dem Teufelskreis der Gewalt befreien. Genau 99 Gewalttäter haben im Jahr 2005 diesen Schritt gewagt - ein Drittel davon freiwillig bzw. auf Druck ihrer Partnerin, zwei Drittel nach Zuweisung durch die Staatsanwaltschaft oder das Jugendamt.

"Wir müssen Einzelne aus Platzgründen abweisen", erklärt Dieter Schmoll, Psychologe, Sozialarbeiter und Leiter des Trainingsprogramms. "Dazu kommt noch, dass nur ein kleiner Teil der Gewalttäter bei uns landet." 50 gewalttätige Männer durchlaufen etwa derzeit das Trainingsprogramm - angesichts der monatlich 120 weggewiesenen Wiener Männer eine bescheidene Zahl.

Umso mehr wünscht sich Schmoll verpflichtende Täter-Gespräche nach Wegweisungen, wie sie in Deutschland diskutiert wurden. "Bisher gibt es erst im Zuge eines Verfahrens wegen Körperverletzung oder Nötigung eine Auflage, das zu tun", betont er. Ansonsten herrsche Freiwilligkeit.

Am dringlichsten aber fehle eine Betreuungsmöglichkeit für Täter mit Migrationshintergrund. "Wir können nur Leute aufnehmen, die der deutschen Sprache mächtig sind", klagt Schmoll. "Dass es keine einzige Stelle gibt, die mit Männern anderer Muttersprache arbeitet, ist ein riesiges Manko." DH

Nähere Infos unter www.maenner.at

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