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Maginot-Linie am Suezkanal

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Es war der 9. März 1969, kurz nach dem ersten großen Kanonenbombardement, es war ein Tag wie jeder andere, und plötzlich begann es wieder. Eine Granate platzte auf dem Bunker, eine zweite folgte, eine dritte kam darnach und so ging es weiter. Ein Telephongespräch mit Tel Aviv wurde abgebrochen, der Kommandant fragte: ,Sind alle im Bunker?' Wir waren alle da. Von Zeit zu Zeit wurde der Bunker von einem Volltreffer, der auf unserem Dach landete, erschüttert, aber weiter merkten wir nichts dabei.

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Es war der 9. März 1969, kurz nach dem ersten großen Kanonenbombardement, es war ein Tag wie jeder andere, und plötzlich begann es wieder. Eine Granate platzte auf dem Bunker, eine zweite folgte, eine dritte kam darnach und so ging es weiter. Ein Telephongespräch mit Tel Aviv wurde abgebrochen, der Kommandant fragte: ,Sind alle im Bunker?' Wir waren alle da. Von Zeit zu Zeit wurde der Bunker von einem Volltreffer, der auf unserem Dach landete, erschüttert, aber weiter merkten wir nichts dabei.

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Dies erzählte E. L., einer der Israelis am Suezkanal, und er fügte hinzu: „Am Funkapparat konnte man Befehle hören, wir haben sie nicht verstanden. Gleich darauf hörte man den Kommandanten des Abschnitts, der seine Tanks in Kampfstellung dirigierte. Jemand schrie: ,Wo ist der Chauffeur, man muß den Jeep in Deckung bringen?' Ein dicklicher Soldat stand beim Ausgang und sagte “traurig: ,Es ist zu spät, der Jeep wird nicht mehr fahren.' Wieder war eine Detonation zu hören und wir betrachteten unsere Nachbarn im Bunker. Ein 17jähriger Soldat aus Bat-Yam lächelte siegesbewußt: .Unser Bunker ist aus Beton und Eisen, er wird jeder Kanonade standhalten.' Aber Staub wurde trotzdem aufgewirbelt. Neben uns hörte man die Tankgeschütze, über uns, hinter uns, vor uns und neben uns explodierten die Granaten und von Zeit zu Zeit hörte man Stimmen durch den Äther. Ein Geruch von verbranntem Schießpulver verbreitete sich überall. Oded ein 20jähriger Soldat mit blondem Haar und blauen Augen lächelte und sagte: ,Wir halben uns schon daran gewöhnt.' Ein schwarzhaariger Soldat mit tiefwaroenJMWW- Stellt seine Zigaretten, ßo wie die Schießerei aufhört, bringe ich neue', sagte er.“

Die zwei Hauptwege, die vom Hinterland zum Suezkanal führen, wurden noch zur Zeit der Engländer vor dem zweiten Weltkrieg gebaut Der eine ist der Mitla-Übergang, wo es während des Sechstagekrieges und des Sinaifeldzuges 1956 zu schweren Kämpfen kam. Der andere führt der Küste des Mittelländischen Meeres entlang, von El Arisch nach Kan-tara. Auf dem Weg von Mitla bis zum Bittersee sieht man noch die kläglichen Uberreste der stattlichen ägyptischen Armee, die Gerippe verbrannter Tanks und demolierter Kanonen und verbrannter Autos. Die umgekommenen Soldaten wurden begraben. In der Wüste ist sonst weit und breit nichts zu sehen. Erst wenn man sich dem Suezkanal nähert, sieht man aib und zu Stellungen mit Soldaten. Am Suezkanal befindet sich auf jeder Seite ein hoher Wall. Er wurde noch geschaffen, als der Suezkanal gegraben wurde und darnach, wenn die Bagger ihn von Zeit zu Zeit vom Sand säuberten und diesen an beiden Ufern aufhäuften. Am westlichen Ufer des Suezkanals gibt es viel grün. Schon zur Zeit der Pharaonen wurde ein Wassergraben vom Nilfluß bis zum Bittersee gezogen. Nach der Errichtung des Suezkanals wurde am Bittersee die Stadt Ismailia gebaut. Es war eine schöne Stadt, in der sich der größte Teil der Suezlbeamiten mit ihren Familien ansiedelten. Ismailia hatte ausgedehnte Parks und einen herrlichen Badestrand mit einem Lido. Heute ist die Stadt zu einer Geisterstadt geworden. Mit dem Fernrohr kann man gut die demolierten Häuser sehen. Am Ufer befindet sich ein Hain. Früher war dies ein beliebter Ausflugsort, heute dient er als Tarnung für ägyptische Geschütze. Auch die herrlichen Parks, der Stolz der Stadt, sind heute zum größten Teil von Schützengräben durchfurcht. Die meisten Einwohner von Ismailia sind evakuiert. Die Stadt Suez war schon immer eine Industriestadt. Eine Schiffswerft, zwei Ölraffinerien, eine Kraf tstation und eine Kunstdünger-fabrik sind nur die wichtigsten Industriewerke, die dort stehen. Die meisten Einwohner, die nicht in diesen Gebieten beschäftigt sind, wurden evakuiert. Die schönen Villen außerhalb der Stadt stehen heute zum größten Teil leer. Auch hier befindet sich hauptsächlich Militär, denn zirka sieben Divisionen, zwei Drittel der ägyptischen Armee, zirka 100.000 bis 150.000 Mann sind von Port Said bis Suez an der 160 Kilometer langen Feuereinstellungslinie zwischen Israels Streitkräften und Ägypten, stationiert. Die Soldaten vergraben sich hier wie Ameisen. Tankfallen, die von weitem wie eine Stachelhaut aussehen, sind anzutreffen und Betonbunker, so wie Tanks sind überall zu finden. 160 Kilometer entlang sieht man fast nichts anderes, als Befestigungen und Soldaten. Die Hauptstraße von Port Said nach Kairo geht teilweise dem Suezkanal entlang. Dde Autos, die sie passieren, kann man von der anderen Seite mit bloßem Auge sehen, denn der Suezkanal ist ja nur 100 bis 120 Meter breit. Beobachtungsposten der UNO sind je fünf auf beiden Seiten zu sehen. Es sind Wohnwagen und ein Schützengraben, für den Fall einerchießerei. Die Ostseite des Suezkanals war niemals besiedelt, denn hier' gab es kein Wasser. Dieses wurde für die Westseite aufgespeichert.

Am 26. Oktober 1968 wurde die israelische Seite schwer bombardiert. 15 Soldaten kamen dabei ums Leben und Dutzende wurden verwundet Die Israelis zogen die Konsequenzen daraus und es wurde beschlossen, die israelische Seite zu befestigen. Gewöhnliche Schützengräben, wie sie damals bestanden, konnten keinen entsprechenden Schutz für 160 Millimeter kalibrige Granaten geben, die außerdem noch eine Zeitzündung hatten.

Israel investierte Millionen Pfunde in Ausbau einer besonderen Maginot-Linie. Es wurden selbständige Bunker errichtet. Jeder Bunker kann sich selbst verteidigen und hat auch Rückendeckung. Laufgräben gehen von Bunker zu Bunker. Die schwere Artillerie hingegen befindet sich einige Kilometer weiter hinten. Eine erste und eine zweite Linie wurde angelegt. Nach einer genauen Planung deckt jeder Bunker auch den zweiten. Die Schießscharten wurden so gebaut, daß man sie kaum treffen kann und nur ein Wunder ermöglicht einen Volltreffer in einen solchen Bunker. In der ersten Zeit ließen die Ägypter die Israelis ungestört gewähren, doch in den letzten Tagen empfanden sie die Ver-schanzung der israelischen Verteidigungsarmee als eine Provokation, die man nicht hinnehmen kann. Der ägyptische Rundfunk meldete ununterbrochen Sieg nach Sieg. Jeder Offizier eines kleinen Abschnitts bucht für sich persönlich unzählige erdachte Erfolge, und während die beiden Raffinerien noch lichterloh brannten, jauchzte man in Kairo über den großen Sieg gegen den israelischen Feind. General Mosche Dayan sagte: „Solange die Ägypter immer noch überzeugt sind, daß sie nur siegen und siegen, werden sie das Schießen nicht lassen.“

Kurz nach dem großen Feuerüberfall am Kanal erteilte Israel Ägypten eine „Lektion“ bei Nag Hamadi. Eine Kraftstation und eine Brücke wurden damals schwer beschädigt. Ägypten sorgte in der Zwischenzeit für eine scharfe Bewachung der lebenswichtigen Objekte im Lande, und erst als sie glaubten, nun auch im Hinterland gegen solche Angriffe gewappnet zu sein, wurde es erneut lustig am Suezkanal selbst. Tagtäglich schössen ägyptische Scharfschützen auf die Traktoren und Bagger, die an den israelischen Befestigungen weiterarbeiteten. Trotzdem erwiderte Israel nicht die Provokationen, denn die Feuerüberlegenheit der Ägypter am Suezkanal ist eine Tatsache und nur das gut gezielte Feuer der Israelis kann die Mehrzahl der Geschütze des Feindes wettmachen. Die Israelis arbeiteten trotz allem Tag und Nacht weiter. Man wollte für einen ernsten Überfall gewappnet sein. Dieser kam früher, als erwartet war, aber zu spät, um die Verteidigungsanlagen zu demolieren.

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