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Peter Eisenmann, Querdenker und Philosoph unter den Architekten, im Wiener MAK.

Peter Eisenman ist hochgradig harmonieresistent, sein Ruevre geprägt vom Fragmentarischen und Prozesshaften. Hartnäckig widersetzt er sich gefälliger Ästhetik und reinem Formalismus. Seine Rauminstallation "Barfuß auf weiß glühenden Mauern" verwandelt die ehrwürdige Ausstellungshalle im Wiener mak in ein irritierendes Labyrinth Eine 2,55m niedrige Zwischendecke und Düsternis sorgen für drückende Grundstimmung. Nur einige bewusste Durchbrüche geben ungewohnte Perspektiven auf die historische Halle frei. 30 im Raum stehende Kojen rauben die Orientierung, ihre spärlichen Öffnungen und Schlitze bilden die einzigen Lichtquellen.

Gegen Spektakelarchitektur

"Ich wollte nicht nur meine Projekte zeigen, sondern eine nach innen gekehrte Ausstellung machen, die mit der eigenen Wahrnehmung konfrontiert," sagt Eisenman, der so auch ein Statement gegen den aktuellen Trend der Spektakelarchitektur setzte. Seine Installation eliminiert den bestehenden Zentralraum, raubt ihm erkennbare Grenzen und dem Besucher die Sicherheit des Gewohnten. Die historische Halle wird zur nur noch fragmentarisch wahrnehmbaren Hülle.

Mit wissenschaftlicher Akribie bemüht sich der Querdenker, große Lehrer und Theoretiker seit Beginn seiner Karriere um Dekonstruktion und permanente Neudeutung der eigenen Disziplin. Er lässt sich immer wieder auf Unvorhersehbares ein, computergenerierte Entwurfsmethoden haben die Komplexität seiner fragmentarischen, von mehreren Ebenen zerfurchten Raumgebilde noch erhöht. Der Philosoph unter den Architekten strebt nach metaphysischer Präsenz. Zeitlebens pflegte er intensiven Gedankenaustausch mit Jacques Derrida, der Architektur nicht als Technik, sondern als Möglichkeit des Denkens betrachtete.

Das Labyrinth wahrnehmen

"Barfuß auf weiß glühenden Mauern" ist eine Reaktion auf Loos, Wittgenstein und Freud. Dieses Raumlabyrinth reflektiert Vergangenheit und Gegenwart, fordert eine Reaktion und konfrontiert mit der eigenen Wahrnehmung. Leicht verirrt man sich zwischen den bunkerartigen Kojen, die so auch das seit 09/11 hoch verunsicherte kollektive Unbewusste mit seinem gesteigerten Sicherheitsbedürfnis abbilden. Als Schutzräume sind die einzelnen Stationen gestaltet. Sie geben ihren Inhalt nicht sofort preis, wollen umrundet und erschlossen sein.

Eisenman bezeichnet sie als Säulen, in psychoanalytischer Manier arbeitet er darin anhand früherer Projekte sein eigenes Werk auf, erweist in theoretischen Arbeiten zu Giovanni Battista Piranesi oder Giuseppe Terragni architektonischen Übervätern Referenz. Ein dekonstruktivistisches Stahlskelett durchbricht als skulpturales Raumgitter die Zwischendecke, schafft einen bezugsreichen Anhaltspunkt zwischen den Kojen. Modellhaft liefert der gebaute Raum gleich eine exemplarische Abhandlung zu Grundfragen der Architektur und ihrer Wahrnehmung mit: Boden, Wand, Decke, Öffnung...

Berliner Holocaust-Denkmal

Jede Säule eine kleine Wunderkammer für sich, nur einige Sehschlitze geben Einblick in den geschlossenen Raum der "unzugänglichen Leere", die Koje zum "Max Reinhardt Haus" birgt ein schwarzes Modell zur Moebiusschen Endlosschleife. Zwei diagonal im Raum liegende, komplementärfarbene Treppen vermitteln die Grundidee des House VI in Connecticut: Verkehrt ragt die rote von der Decke, die grüne lässt sich erklimmen.

Am 10. Mai soll Eisenmans vieldiskutiertes "Mahnmal für die ermordeten Juden in Europa" in Berlin eröffnet werden. Sein Entwurf widersetzt sich dem Pathos des Symbols, als angemessene Antwort auf das Unsagbare des Holocaust setzte er auf verstörende Orientierungslosigkeit in einem Feld aus 2700 Betonstelen. Ein Ausschnitt davon ist in einer der Kojen im MAK nachgebaut. Nur eine von vielen ahnungsvollen Erfahrungen, die diese Eisenmansche Wunderkammer bereit hält.

Barfuss auf weiss glühenden Mauern

MAK-Ausstellungshalle,

Weiskirchnerstr. 3, 1010 Wien,

Bis 22. Mai Di 10-24, Mi-So 10-18 Uhr

www.mak.at

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