Unterkühlte Leidenschaft: „Ammonite“

Nachdem dem Briten Francis Lee 2017 mit dem Schwulendrama „God’s Own Country“ ein vielbeachtetes Debüt gelang, erzählt er in seinem zweiten Spielfilm „Ammonite“ von einer geheimen lesbischen Liebe im England des 19. Jahrhunderts. Im Zentrum steht die Fossiliensammlerin Mary Anning (1799–1847), der Lee ein Denkmal setzt. Wie ihre Funde ist auch sie selbst förmlich versteinert durch die Ignoranz der Männer. Mit emotionslos-kaltem Blick spielt Kate Winslet diese Forscherin, die mit ihrer kranken Mutter (Gemma Jones) in einem Küstendorf in armseligen Verhältnissen lebt, und sich nur mit dem Verkauf von Fossilien und anderen Souvenirs über Wasser halten kann.

Die großartigen, wolkenverhangenen Küstenbilder von Kameramann Stéphane Fontaine, das tosende Meer und die gedeckten Farben evozieren eindrücklich eine bedrückende Stimmung, die durch Wortkargheit und reduzierten Musikeinsatz noch verstärkt wird. Zeit lässt sich Lee für die atmosphärisch dichte Schilderung dieses Milieus und der Arbeit Annings, ehe sich eine leidenschaftliche Liebe zwischen ihr und der aus reichem Haus stammenden, verheirateten Charlotte (Saoirse Ronan) entwickelt.

Abgesehen von einigen expliziten Sexszenen bleibt die Inszenierung zurückhaltend und unterkühlt. Wie sich die Protagonistin nicht zwischen ihrer Forschungund ihren Gefühlen entscheiden kann, pendelt auch Lee etwas unentschlossen zwischen Liebesgeschichte und Hommage an die Fossiliensammlerin. Trotz großer visueller Qualitäten und intensivem Spiel von Winslet und Ronan will so das Feuer der Leidenschaft, von dem hier erzählt wird, nicht so auf die Zuschauer überspringen wie bei Céline Sciammas ähnlich angelegtem „Porträt einer jungen Frau in Flammen“.