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Thomas Frankl stellt die Bilder seines Vaters, des Auschwitz-Überlebenden Adolf Frankl, erstmals in ihrer Heimatstadt Bratislava aus und begegnet so der eigenen Biografie.

Immer wieder standen Vater und Sohn in den 70er-Jahren am Zaun vor Bratislava, diesseits der Donau, am "Eisernen Vorhang“ zwischen Ost und West, und schauten auf ihre Heimatstadt. Immer wieder zog es den Auschwitz-Überlebenden Adolf Frankl vom Wiener Exil aus in ihre Nähe. Sohn Thomas, damals Geschäftsmann, begleitete ihn, versuchte, ihn zu trösten.

Jetzt erstmals sind die Werke des 1983 verstorbenen Künstlers Adolf Frankl in der slowakischen Hauptstadt zu sehen: weit aufgerissene Augen und Münder, Hundegesichter, Fratzen spiegeln Verhaftung, Deportation und Konzentrationslager wider.

Sohn Thomas, 77, stellt die Bilder zusammen mit dem Österreichischen Kulturforum der Slowakei im Museum des Alten Rathauses von Bratislava aus und führt auch durch die Ausstellung. Es ist eine Reverenz Frankls an seinen Vater, der ihm oft fremd blieb zu Lebzeiten, dessen Malerei er anfangs sogar "nicht besonders gut“ fand.

Sehnsucht nach Europa

"Die Kunstwerke meines Vaters sind ein einzigartiges Zeugnis - das Zeugnis eines Überlebenden“, sagt Thomas Frankl. "Und ein Mahnmal gegen das Vergessen.“ Schon in vielen Ländern stellte er die Bilder aus, seit 2006 auch in seiner Galerie "Artforum“ am Judenplatz in Wien.

"In meiner Arbeit ist der Vater immer da“, erzählt Galerist Frankl, "das ist ein sehr gutes Gefühl.“ Das war nicht immer so. Viele Jahre sah das Leben Thomas Frankls anders aus, stand die Auseinandersetzung mit der eigenen jüdischen Vergangenheit und mit den Kriegsverbrechen nicht so im Vordergrund wie heute. Thomas Frankl war Besitzer eines Großhandels für Freizeitbekleidung in München. Zuvor, Ende der 50er-Jahre, war er in die USA ausgewandert, um eine berufliche Perspektive zu finden. Er jobbte, besuchte Abendkurse. Schließlich gelang ihm der Sprung in die Investmentbranche. 1965 kam er zurück nach Europa. "Ich hatte Sehnsucht danach“, sagt er lächelnd, "und die Bindung zu meinen Eltern war auch stark.“ Er heiratete, wurde Vater einer Tochter. 1973 gründete er mit seiner Frau Inge Ruth den Großhandel in München.

"Den Wert der Bilder meines Vaters erkannte ich erst nach meiner Rückkehr nach Europa“, sagt Frankl. Mitte der 60er-Jahre fand in Westdeutschland eine breite politische Debatte um die Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus statt. Auch die Studentenbewegung thematisierte den Holocaust und fragte nach seinen Ursachen.

Unerschöpfliche Vergangenheit

1974 fand die erste Kunstausstellung Adolf Frankls in Wien statt - organisiert vom Wiener Kunsthistoriker und Sammler Rudolf Oertel, der auch Geschäftsführer eines Pfandleihhauses war. Ihm hatte Adolf Frankl über Jahre hinweg seine Werke verpfändet, um vom Erlös Leinwand, Pinsel und Farben kaufen zu können. Die Ausstellung wurde ein Erfolg. Sohn Thomas kaufte nach und nach die verpfändeten Werke zurück.

Immer intensiver setzt er sich jetzt mit dem Holocaust auseinander. Sucht die Orte der Familiengeschichte auf, recherchiert, findet Dokumente. Dreht den inzwischen in Kanada, Tschechien und der Slowakei preisgekrönten Dokumentarfilm "Visionen aus dem Inferno“, in dem er sich auf die Spuren des Vaters bis nach Auschwitz begibt. Ehefrau Inge Ruth arbeitet von Anfang an mit ihm zusammen. "Freunde haben oft wenig Verständnis“, so Frankl. "Sie sagen: ‚Lass die Vergangenheit doch in Ruhe.‘“

Doch die Vergangenheit ist ein unerschöpflicher Quell geworden für Thomas Frankl. Und plötzlich dringen die Erinnerungen hervor, unterbrochen von Tränen und Schweigen: wie die Familie in der Nacht des 28. September 1944 in Bratislava von deutschen und slowakischen Soldaten verhaftet wird, der Vater ihnen Geld anbietet, die Schwester sich hinkniet und bittet: "Nechajte nás tu!“, man möge sie doch da lassen, die Mutter die frische Narbe ihrer Bauchoperation zeigt, sie alle dennoch auf die Straße getrieben werden, zum Güterbahnhof, wo die Deportationszüge bereitstehen, wie die Mutter vor den Leiter der Deportation, SS-Hauptsturmführer Alois Brunner, hintritt und geradeheraus behauptet, ihr Mann, sie und die Kinder seien keine Juden und durch diese Notlüge tatsächlich sich, Thomas und Erika retten kann, wie sie sich verstecken können bei Familien in Bratislava, und wie schließlich der Vater nach Kriegsende vor dem Haus steht, Thomas ungläubig und freudig zugleich, die Eltern sich zurückziehen und stundenlang weinen - vor Freude.

"Es ist erstaunlich“, bemerkt Thomas Frankl rückblickend, "dass man trotz der schlechten Erlebnisse so rasch, eigentlich sehr rasch ins ‚normale Leben‘ reingekommen ist. Natürlich haben die älteren Leute immer gesprochen und bedauert, wer nicht mehr da war. Aber man traf sich mit den Überlebenden und das hat wahrscheinlich überwogen. Das hat alles überwogen.“

Die zweite Enteignung

Bei der Befreiung Bratislavas war Thomas elf Jahre alt, seine Schwester neun. Ihr Vater übernahm nach der Rückkehr aus Auschwitz wieder sein Geschäft für Inneneinrichtung, das er bis zur Arisierung 1941 geführt hatte. Er stellte sogar die Person, die die Frankls denunziert hatte, wieder ein. Hass sei ihrem Vater fremd gewesen, sagt Thomas. Er selbst und seine Schwester durften endlich, nach Jahren der Ausgrenzung, wieder zur Schule gehen. 1947 wurde Bruder Ján geboren. 1949 wurde Adolf Frankl zum zweiten Mal enteignet, diesmal von den Kommunisten. Die Familie floh nach Wien. Die Frankls waren nun mittellos.

Um nicht nur von der Flüchtlingshilfe leben zu müssen, betrieben die Eltern Schwarzhandel mit Strümpfen. Doch Adolf Frankl war jetzt kaum noch fähig zu arbeiten. "Das wenige Geld, das er beim Hausieren verdiente“, sagt Thomas Frankl, "gab er noch Ärmeren oder verlor es beim Kartenspiel.“ Adolf Frankl mit der tätowierten KZ-Nummer B14395 war ein gebrochener Mann, unter Angstzuständen leidend, unfähig, über seine Erlebnisse im Vernichtungslager zu sprechen. Nachts schrie er oft im Schlaf auf und weinte, und wenn er nicht schlafen konnte, malte er.

Die Bilder fand Thomas damals "in den Farben zu grell“, wie er einräumt, dennoch halfen er und Ján ihrem Vater, die Werke an das Pfandleihhaus Oertel zu liefern. "Mein Vater war nicht mehr das, was er mal gewesen war: leader of the family“, sagt Frankl. Und, nach einer Pause: "Wir hätten mehr Rücksicht auf ihn nehmen müssen.“

Vízie - Visions - Visionen bis 29. April im Museum des Alten Rathauses, Bratislava Infos: www.artforum.judenplatz.at

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