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Der französische Regisseur Cédric Kahn nimmt in "Les Regrets“ ein altbekanntes Motiv über die Liebe zum Ausgangspunkt. Im Verein mit Yvan Attal, Valeria Bruni-Tedeschi und der Musik von Philip Glass kann er das überzeugend darstellen.

Non, je ne regrette rien. Nein, ich bereue nichts. Generationen von Chansonhörern haben den Edith-Piaf-Hit im Ohr, in dem die französische Sangesmeisterin unter anderem eindringlich das Hingeben an einen Augenblick besingt: Nichts ist zu bereuen an der Liebe. Nichts an dem, was war. Und nichts an dem, was ist.

Der Ohrwurm schlängelt sich immer noch in den hinteren Hirnwindungen umher - und kreucht in die Erinnerung, wenn sich der Zuschauer beispielsweise Cédric Kahns Kammerspiel "Les Regrets“ aussetzt: Warum, so die unausgesprochene Frage, warum gelingt nicht, dieses eine Mal dem Augenblick nachzugeben, jenem einmaligen Moment, der aus Liebe Erfüllung zu machen imstande ist - je ne regrette rien usw.?

Ich bereue alles, schreit es dementgegen aus Maya, der Protagonistin, heraus - die Reue, eigentlich der Plural davon, der auf Deutsch nicht zu übersetzen ist, sagt schon der Titel des Films, der das alte Thema aufs Neue buchstabiert: Sie konnten zusammen nicht kommen, das viel zu tiefe Wasser muss nicht wortwörtlich des Meeres und der Liebe Wellen scheiden. Die Tiefe machen sich zwei Menschen vielleicht auch selber - denn dem Glück stehen sich Mann oder Frau mitunter selbst im Weg. Oder bleibt das Glück eh nur das Vogerl, wie es das Wienerlied meint?

Wie zwei gleichgepolte Magnete

Sonderbar, dass dieses filmische Liebesspiel aus Frankreich erst mit zweijähriger Verspätung ins österreichische Kino kommt. Denn "Les Regrets“ ist ein beachtliches Werk, das dem - durchaus altmodischen - französischen Filmmelodram neues Leben einhaucht und bestechen kann.

Cédric Kahn, der Regisseur, changiert zwischen behutsamer Darstellung und der Wiedergabe überbordenden Gefühls, das zwei alte Bekannte zueinander spült und doch, als ob sie gleichgepolte Magnete wären, voneinander abstößt.

Mathieu, 40, ist ein Pariser Architekt, dessen Mutter auf dem Land im Sterben liegt. Deswegen verschlägt es ihn an den Ort der Kindheit. Dort stolpert er über seine Jugendliebe Maya. Und - als würden die Wunden der Vergangenheit zugleich aufbrechen und verschwinden - entspinnt sich eine Beziehung, die von allem, nur nicht von Normalität geprägt ist.

Mathieu, wiewohl in Paris, wie man so sagen würde: glücklich verheiratet, spürt die Obsession, die Maya aufs Neue in ihm auslöst. Sie hingegen, mit Tochter und einem vierschrötigen Winzer, der nicht der Kindsvater ist, lebend, kann nicht behaupten, dass ihr Beziehungsleben geglückt ist.

Dies alles scheint einen Moment gleichgültig zu sein, einen Liebesaugenblick lang, der aber nicht verweilen will. Doch die Obsession vertreibt die Neurose, die Beziehung nur im Zerbrechen wahrnimmt, keinesfalls.

Geborgenheit schlechten Zusammenlebens

Denn auch Mayas schlechtes Zusammenleben enthält Geborgenheit für sie; und mag der Winzer ein Alkoholiker und Gewalttäter sein, frau lässt sich auf keine Abenteuer ein, schon gar nicht mit Mathieu, der ihr einst zu viel Schmerz verursacht hat. Neubeginn könnte werden. Aber soll sicherheitshalber doch nicht sein. Eine Vergangenheit wird Gegenwart, aber wie soll das, was nie aufgearbeitet werden konnte, tragfähig für die Zukunft sein?

Cédric Kahn, der auch für das Buch verantwortlich zeichnet, hat nicht nur gehörig Anklänge an Weltliteratur und Menschheitsgeschichte in diesen Plot verpackt, sondern erweist sich als gründlicher Kenner von menschlicher Seele und deren Abgründen. Es ist nicht zuletzt dieses Wissen, dass das schon so oft verfilmte oder dramatisierte Thema ganz und gar nicht alt aussieht.

Das liegt aber nicht bloß an der Regie, sondern ist auch den Darstellern der beiden geschuldet. Yvan Attal und Valeria Bruni-Tedeschi sind als diese Königskinder im "besten Alter“ kaum zu übertreffen: Er, der introvertierte Intellektuelle - als Architekt aber nicht wirklich gefordert -, der sich auf die gefährliche Liebschaft einlässt. Sie die überaus sinnliche Gleichaltrige, die - aus gegebenen Anlässen - seinem ungestümen Drängen nicht nachgeben kann. Was aber wird daraus werden? Oder bleiben zwei verlorene Seelen zurück, die einen Hauch Liebe einatmen durften, aber dem großem Atemzug entraten mussten?

Dass der Film "Les Regrets“ heißt, mag das Ergebnis der amourösen Entwicklung vorwegnehmen. Vielleicht ist der Plot auch ein wenig zu vorhersehbar. Aber auch das muss dieser Variation des "alten Themas“ nicht unbedingt zum Vorwurf gereichen.

Es ist vielmehr hohe Kunstfertigkeit von Cédric Kahn und die exzeptionelle Darstellung von Yvan Attal wie von Valeria Bruni-Tedeschi, die aus dem Kammerspiel die Wirklichkeit von Gefühlen herauszaubern.

Philip Glass’ musikalische Betörungen

Als vierter im Bunde ist neben dem Regisseur/Autor und den Schauspielern auch der Musikmacher zu nennen: Philip Glass, Starkomponist der ernsten Muse und Bannerträger der Minimal Music, zeichnet für die Filmmusik von "Les Regrets“ verantwortlich - und verstärkt das Beschriebene mit seinen musikalischen Mitteln unnachahmlich: Die Betörungen, die sich da zwischen Mathieu und Maya entspinnen, werden durch die Klänge auch Betörungen des Zuhörers, und wenn die Gefühle langsam auszulassen scheinen, werden sie von den anschwellenden Tönen der Glass’schen Musik flugs wieder in die Wahrnehmung zurückgeholt.

Sie bereue nichts: Mit dieser Ansage bleibt die Piaf ins Gedächtnis der Menschen eingeschrieben. Valeria Bruni-Tedeschis alias Mayas gegenteiliger Spruch in "Les Regrets“ wird die Weltgeschichte mutmaßlich weniger bewegen. Aber der der Wahrheit von Cédric Kahns Film entspricht er allemal .

Les Regrets

F 2009. Regie: Cédric Kahn.

Mit Yvan Attal, Valeria Bruni-Tedeschi,Arly Jover, Philippe Katerine. Filmladen. 105 Min.

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