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Bis 22 Uhr...

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Alle Jahre wieder wird das Thema von der Welle hochsommerlicher Einkaufs-Unzukömmlichkeiten auf die Titelseiten der Gazetten getragen: der Ladenschluß. Durchgehender Unterton der Erörterungen pflegt dabei der Hinweis auf das anarchische Vorgehen der Gastwirte, Kaffeesieder und Geschäftsleute bei der Festlegung ihrer Urlaubszeiten zu sein. Dabei wird mitunter die Tatsache völlig aus dem Blick verloren, daß die Problematik der nicht aufeinander abgestimmten Urlaubssperren wenig mit dem seit Jahren anstehenden Ladenschlußproblem zu tun hat. Aber es ist nun einmal auch dieses ein „Saisonproblem“, und sei es auch nur im Hinblick auf die Saison der sauren Gurken und der Loch-Ness-Ungeheuer. Bis vor einigen Monaten konnte die bindende Regelung, wann (frühestens) aufgesperrt werden dürfe und wann (spätestens) zugesperrt werden müsse, als amtliche Regelung der Öffnungszeiten überhaupt betrachtet werden. Die Regelung sagt zwar nur, wann offengehalten werden darf, nicht, wann (beziehungsweise daß) offengehalten werden muß. Aber das Darf war so gut wie ein Muß.

Bis die Verkürzung der Arbeitszeit kam und damit in fast allen Bereichen die Versuchung, wenn nicht Notwendigkeit, die festgelegten Ma-ximal-öffnungszeiten individuell zu unterschreiten. Die Praxis, die sich damals herausbildete, rückt die Frage nach den Öffnungszeiten von Lebensmittelgeschäften, Waschsalons, Filialbetrieben, Läden aller Art allerdings in bedenkliche Nähe der Urlaubssperren-Anarchie, denn für die täglichen Öffnungszeiten wurde ebensowenig ein allgemeines Ubereinkommen gefunden, ja auch nur gesucht. Im Grund war man mit dem anarchischen Durcheinander ganz einverstanden und ist es noch immer. Denn dieses Durcheinander verwischt Konkurrenzvorteile, die sich der eine oder andere durch ein größeres Angebot an Geschäftszeit sichern könnte, und macht den Markt auf einem weiteren Gebiet untransparent. (Zumindest werden die Dinge von verschiedenen Konsumentenkreisen so gesehen.) Nach wie vor gilt die Regelung, daß Geschäfte, definiert als „Verkaufsstellen für ständigen und nichtständigen Kleinverkauf von Waren“, außer Lebensmittelgeschäften, von 7.30 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet sein dürfen, innerhalb dieser Zeitspanne aber wann und so lange ihre Inhaber es wollen. Dies an Werktagen, ausgenommen Samstag. Die Interpretationsfreiheit der Landeshauptleute verschafft diesen Luft für Regelungen bezüglich der Samstagsperre. „Wenn Konsumentenbedürfnisse es erfordern“ — aber was erfordern Konsumentenbedürfnisse schon, wer artikuliert sie schon —, haben die Landeshauptleute auch die Möglichkeit, die tägliche abendliche Sperrstunde, das Fallen des Rollbalkens, um eine Stunde zu verschieben. Drei Sommerfrischen und eine Winterfrische in Salzburg haben sich die Freiheit genommen, mit landeshauptmännlicher Erlaubnis an Samstagnachmittagen offenzuhalten. Als einziges Bundesland beharrt Vorarlberg, das Land der hohen Akkorde und der harten Konkurrenzverhältnisse, auf generellen Geschäfbs-Samstag-nachmittagen.

Mag sein, daß man über die nahe Grenze blickt, denn auch in der Schweiz dürfen die Läden an Samstagen auch Nachmittags, und zwar bis 17 Uhr, offenhalten. Die von der Bundessektion Handel eingesetzte Expertenkommission berät nach wie vor über das Problem der Öffnungszeiten. Die Fronten verlaufen keineswegs klar zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, sondern kreuz und quer durch beide Lager. Und Branchen. Ja selbst durch die Betriebe.

Die Gründung weiterer Verbrauchermärkte könnte dem Thema zusätzliche Brisanz verschaffen. Noch stehen hierzulande 30.000 Einzelhändlern nur 35 Verbrauchermärkte gegenüber; vergleicht man die Umsatzzahlen, sieht der Vergleich für den traditionellen Handel freilich weniger freundlich aus.

Die Verbrauchermärkte machen allen Einfluß, den sie haben, in Richtung auf einen Betrieb an Freitagabenden bis 22 Uhr geltend. Einstweilen vermag nur ein gevifter Insider abzuschätzen, wie weit der Einfluß der Verbrauchermarkt-Manager reicht. Im Bundesgremium des Lebensmittel-Einzelhandels verweist man jedenfalls bereits auf das belgische Beispiel, das gelehrt haben soll, verlängerte Öffnungszeiten kämen den Geschäften um so mehr zugute, je größer diese seien.

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