Radio - In den 1920er Jahren etablierte sich das Radio als gewichtiges Nachrichtenmedium. Josef Räuscher verlieh ihm ab 1926 in Deutschland Profil.   - © Foto: Getty Images / Spiderstock

Erst das Wetter, dann die Politik: Josef Räuscher und 100 Jahre Radio

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Der österreichische Radiopionier Josef Räuscher (1889–1937) machte in Deutschland Karriere und prägte das damals junge Medium. Ein Beitrag zu 100 Jahre Radio.

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Der österreichische Radiopionier Josef Räuscher (1889–1937) machte in Deutschland Karriere und prägte das damals junge Medium. Ein Beitrag zu 100 Jahre Radio.

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Unter dem Titel „lichtung“ ist 1966 Ernst Jandls wohl bekanntestes Gedicht entstanden: „manche meinen / lechts und rinks / kann man nicht / velwechsern. / werch ein illtum!“ Das war, angewendet auf den Titel, gewiss ideologisch gemeint und damit sehr vorausschauend. In gewisser Weise sagt das Gedicht aber auch etwas über Akustik aus. Denn beim Sprechen wird schnell ein Laut verschluckt oder undeutlich ausgesprochen und damit ist die Gefahr, falsch verstanden zu werden, einigermaßen hoch.

In die Schlagzeilen geriet ein Hörfehler zuletzt bei der Gemeinderatswahl in Salzburg, als bei der telefonischen Übermittlung des Wahlergebnisses von Golling die Stimmen der SPÖ fälschlicherweise der FPÖ zugerechnet wurden. S und F sind – leicht nuschelig ausgesprochen – beim Hören verwechselbar; akustisch gesprochen, nicht politisch.

Einer der Ersten, der in den Anfängen des neuen Mediums Radio darauf hingewiesen hat, dass die akustische Übertragung von Nachrichten flüchtig und fehleranfällig ist, war Josef Räuscher. Nur wenige Monate, nachdem die SPÖ ihren Gründungsparteitag dort abgehalten hatte, kam Josef Räuscher am 10. August 1889 in Hainfeld, Bezirk Lilienfeld, als Sohn eines Lehrers und späteren Direktors der Knabenbürgerschule in St. Pölten zur Welt. Dementsprechend genoss er eine fundierte humanistische Ausbildung, die er 1912 mit einer Dissertation an der Universität Wien über „Die Namengebung in Ifflands Dramen“ abschloss.

Sprung nach Berlin

Warum er nach dem Ersten Weltkrieg, in dem er als Offizier diente, nach Berlin ging, kann man bestenfalls aus seinen späteren Zeitungsartikeln schließen: Für den angestrebten Beruf eines Journalisten war ihm Österreich zu klein geworden. Noch als Student hatte er mit seinem Kommilitonen Adalbert Jungwirth die Zeitschrift Beiträge zur lokalen Kunstpflege in St. Pölten gegründet. Mit jugendlichem Elan schrieb er darin vor allem Rezensionen zu Opern- und Theateraufführungen, nahm aber auch zu kulturpolitischen Fragen Stellung.

Im Aprilheft des Jahres 1910 etwa zog er Bilanz über die vergangene Theatersaison und fragte: „Wer soll führen, das Publikum oder das Theater?“ In subventionierten Theatern, so seine Argumentation, sollte der Direktor eine Erziehungsaufgabe erfüllen und nicht „dem schlechten Geschmack des Publikums in alle schmutzigen Gassen nachlaufen“.

Phil. Räuscher, wie er seine Artikel zumeist unterzeichnete, polemisierte gegen die „textlich und musikalisch greulichen Mißgeburten“ der jüngsten Operettenliteratur mit Titeln wie „Das nackte Weib“, „Der fidele Bauer“ oder „Die geschiedene Frau“. Mit solchen Schmonzetten erzeuge man „Wirkung ohne Ursache“, wie er in diesem Artikel Richard Wagner zitierte, und mache die Zuschauer für Werke mit „feinerer, intimerer Bühnenwirkung ganz unempfänglich“.

Als es im Herbst 1910 mit der Finanzierung der Zeitschrift schwierig wurde, verabschiedete er sich im Dezemberheft von seinem Publikum in der Hoffnung, „dass unsere zweijährige Arbeit, die der Liebe zur Heimat entsprang, nicht fruchtlos war“.

Josef Räuscher senior verbrachte die Schulferien in diesen Vorkriegsjahren in seinem Sommerhaus in Waldegg im Piestingtal. Dort unterrichtete seit 1902 Ferdinand Ebner die Kinder und wurde von seinem St. Pöltner Amtskollegen zum Gedankenaustausch eingeladen. Dabei freundete sich Ebner mit dessen Tochter Frieda und seinem Sohn Josef an. Mit Frieda spielte Ebner gern Klavier, mit Josef wanderte er stunden-, auch nächtelang philosophierend durchs Tal. Dabei machte der Student den in der abgelegenen Provinz lehrenden Kollegen seines Vaters auf zwei Zeitschriften aufmerksam, die in den Intellektuellenzirkeln der Hauptstadt große Beachtung fanden: Die Fackel und Der Brenner. In Letzterem erschien dann nach dem Krieg Ferdinand Ebners sprachphilosophisches Hauptwerk „Das Wort und die geistigen Realitäten“.

Umgekehrt lernte der vielseitig interessierte junge Mann über Ebner den Zwölftonkomponisten Josef Matthias Hauer und später den Maler und nachmaligen Lehrer am Bauhaus in Weimar, Johannes Itten, kennen. Ausgangspunkt dieser Verbindungen aber war die kleine Marktgemeinde am Fuße der Hohen Mandling.

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